Veränderung, plötzlich

Judith Hermann stellt im Literaturhaus ihren Kurzgeschichtenband „Nichts als Gespenster“ vor

Ein erleichtertes Raunen geht durch die Literaturszene: Sie hat es geschafft. Judith Hermann hat ein zweites Erzählwerk vollendet. Als sie vor fünf Jahren mit ihrem Debüt Sommerhaus später einen Überraschungshit landete, hätte sie mit einem derartigen Rummel um ihre Person nie gerechnet, der sie „einfach fassungslos“ machte. Nach einiger Zeit ging sie nicht mehr ans Telefon, tauchte schließlich ganz ab.

Doch jetzt ist sie wieder da und trifft den desillusionierten Ton ihrer Generation besser denn je. Nichts als Gespenster heißt ihr neues Werk und vereint sieben Kurzgeschichten. Und es lohnt sich, ihr zuzuhören, wenn sie ihre Geschichten – wie jetzt im Literaturhaus – liest. Ging es in Sommerhaus später noch darum, wie lange ein Mann die Trennung von der Geliebten erträgt, ohne sich anderweitig zu verheiraten, sind ihre Themen diesmal radikaler. Sie drehen sich um den Tod und um den Moment, an dem die Liebe das Objekt wechselt. In „Aqua Alta“ etwa beschreibt sie die Angst vor dem Tod der Eltern. Als Kulisse dient Venedig. Dort besucht die Erzählerin ihre Lieben, ist wieder ganz Kind. Doch als sich ein Venezianer für sie interessiert, ist ihre Unschuld dahin.

Das Glück schaut bei Hermann immer nur kurz vorbei. Wie in der Erzählung „Nichts als Gespenster“, in der die Protagonistin Ellen mit ihrem Mann durch die Wüste der USA reist. Ein Abend in einem Motel bringt eine einschneidende Veränderung, als Ellen auf Buddy trifft, der ihren depressiven Mann aus der Reserve lockt.

Immer trifft die Veränderung Hermanns Figuren überraschend. Und wenn die Geschichten zu nah an ihr dran sind, erzählt Hermann in der dritten Person. Sonst wählt sie meist die Ich-Perspektive. Dabei pflegt sie einen weisen, erschöpften Erzählton. Den hat sie Raymond Carver abgeschaut. Und sie hat verinnerlicht, dass die besten Momente in der Literatur die unausgesprochenen sind.

Hermann ist heute 32 Jahre alt, lebt immer noch in Berlin und hat einen zweijährigen Sohn. Ansätze für ihre neuen Geschichten hat sie auf ausgedehnten Reisen gefunden. Lange Zeit fühlte sie sich jedoch „beobachtet bei jedem Satz“ und musste „erst in ein Leben zurückkehren, das mit dem Erfolg nichts mehr zu tun hat“. Doch wie heißt es in einer Erzählung: „Obwohl es mich müde macht, immer und immer wieder die alten Geschichten zu erzählen, kann ich nicht widerstehen und erzähle sie doch.“ CAROLINE MANSFELD

Lesung heute, 20 (ausverkauft) + 22 Uhr (wenige Restkarten), Literaturhaus, Schwanenwik 38