Schnöde Sippenhaft

Eine 22-jährige Libanesin sucht das Gespräch mit der BILD Bremen – und blitzt ab. Weil ihr Mann vorbestraft ist, hatte die Boulevardzeitung kurzerhand vor seiner „kriminellen Familie“ gewarnt

taz ■ Reden wollte sie, die Fakten klarstellen. Aber nach einigem Hin und Her hatte bei der BILD-Zeitung dann doch niemand Interesse, sich mit der 22-jährigen Libanesin Zeinap El-Zein auseinander zu setzen. „Der für den Text verantwortliche Redakteur ist krank, der Chefredakteur ist im Urlaub, und ich kenne den Artikel nicht, weil ich erst seit Sonntag hier bin“, entschuldigte sich Redaktionsleiter Volker Herzig. Auch zu der Art, in der die BILD wiederholt über El-Zeins Familie geschrieben hatte – und die bereits vom Deutschen Presserat gerügt wurde – wollte niemand Stellung beziehen.

Dabei sah es für zehn Minuten so aus, als wäre doch eine Redakteurin bereit, sich mit Zeinap El-Zein und ihren zwei Begleiterinnen von der Bremer Flüchtlingsinitiative zu unterhalten. Dann aber sah sie, dass vor dem Gebäude in der Knochenhauerstraße zwölf weitere Personen mit Plakaten gegen die Berichterstattung der BILD protestierten. „BILD lügt“ war darauf zu lesen und „rassistische Hetze“. Das empfand die Redakteurin als „schlechten Stil“ und die Diskussion wurde abgeblasen.

Der Grund für Zeinap El-Zeins Besuch in der Redaktion in der Knochenhauerstraße: In einem Artikel vom 13. Februar diesen Jahres hatte die BILD ihre Leser davor gewarnt, dass Zeinap El-Zeins vor einem Jahr in die Türkei abgeschobener Mann Ata El-Zein (26) wieder in der Stadt sei, „wo er ungeniert durch die City spaziert“, wie es in dem nicht namentlich gekennzeichneten Artikel heißt. Der Grund für die Sorge des anonymen BILD-Redakteurs: Ata El-Zein ist kein Unschuldslamm, sondern war 62 Mal angezeigt worden, wie die BILD-Zeitung wusste. Und: „Fünf Mal wurde er schon verurteilt.“ Zeinap El-Zein war bereit, dem Redakteur zu erklären, dass ihr Mann sich nicht illegal in Deutschland aufhält, wie es in dem Artikel suggeriert wird. Ihm wurde von der Ausländerbehörde ein Duldungsstatus eingeräumt, weil seine Frau und seine beiden kleinen Töchter (vier und sechs) an einer chronischen Stoffwechselkrankheit leiden und seine Hilfe brauchen. „Die Ältere braucht vielleicht eine neue Leber.“ Zeinap El-Zein und die beiden Mädchen haben eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis und warten auf ihre Einbürgerung. Neben dieser Klarstellung der Fakten wollte sich Zeinap El-Zein außerdem über die undifferenzierte Hetze auch gegen den Rest ihrer Familie beschweren. Die Rückkehr Ata El-Zeins hatte BILD nämlich zum Anlass für Spekulationen genommen: „Kommt jetzt auch seine kriminelle Familie nach Bremen zurück?“ Gleich im ersten Absatz ist noch zwei Mal von seiner „kriminellen Familie“ die Rede, die aus der Sicht des BILD-Redakteurs schon in den Startlöchern steht, um über Bremen herzufallen. Dabei interessiert er sich nur für die Mitglieder der Familie, die tatsächlich straffällig geworden sind. Der Rest der zum Teil in Bremen gebliebenen Familie wird gleich in Sippenhaft genommen.

„Das ist ja nicht das erste Mal, dass die so über uns schreiben“, sagt Zeinap El-Zein. Und: „Das Fass ist voll.“ Jetzt gibt es Überlegungen, nicht nur gegen die BILD-Zeitung rechtlich vorzugehen, sondern auch gegen den Polizeibeamten, der die BILD offenbar auf Ata El-Zein angesetzt hatte. Eiken Bruhn