freunde des nikotins in washington und essen von JÜRGEN ROTH
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Der Terminal C am Washington Dulles International Airport ist ein einladender Ort. Links und rechts des freundlich gestalteten Hochmoderntraktes öffnen sich tausendfach die Reiche zollfreien Einkaufens. Dort wird der Konsument nach wenigen Augenblicken von schneidig gekleideten Japanerinnen, die dem unschlüssig vor Schnaps- und Zigarettenregalen herumlungernden Kunden auf den Pelz rücken, in fließendem Deutsch dazu angehalten, sich endlich zu entscheiden. „Sie nehmen das! Sie haben genug nachgedacht!“, singen die Damen aus dem Land des sonnigen Gemüts, und es empfiehlt sich nicht, dagegen einen Einwand vorzubringen, nicht auf einem US-amerikanischen Flughafen. Andernfalls droht Abschiebehaft oder Zwangseinweisung in den Parkplatzdienst bei zwei Dollar Bruttolohn pro Jahr.

Den Bewohnern des Landes der unbegrenzten Möglichkeiten wird vieles nachgesagt, aber dass sie in bestimmten Fragen bestrebt seien, die Freiheit des Einzelnen zu beschneiden, muss entschieden zurückgewiesen werden. Im Terminal C führen den ausländischen Gast blaue Schilder zur „Smoking Lounge“, in der der rauchende Tourist rauchen darf, so viel er will.

Die „Smoking Lounge“ ist ein etwa vier mal vier Meter großer Glaskasten mitten auf dem Terminalgang, in dem sich um circa 30 Plastikschalensitze ungefähr 120 Freunde des Nikotins in geselliger Runde versammeln. Die meisten warten auf ihren acht- und mehrstündigen Atlantik-Nichtraucherflug, weshalb man noch eben mal in aller Ruhe ein, zwei Päckchen der günstig erworbenen Aktiven schmaucht. Gern raucht man zwei auf einen Streich, andere bevorzugen die traditionelle Keuchhustenkette, und eine kleinere Gruppe zieht auch den Filter mit rein. „Great stuff“, murmelt ein ausgemergelter Engländer, während eine Blondine in ihrer vor Kippenschachteln überquellenden Handtasche nach einem zweiten Feuerzeug kramt, um beidhändig fortzufahren.

Zu sehen ist in diesem Kubus – der sich für eine Aufstellung auf der nächsten documenta geradezu aufdrängt, und zwar samt Insassen, die erwählten Troglodyten könnten während des Transports im luftdichten Gepäckunterdeck ungestört weiterperzen –, zu sehen ist in dieser londonartig versmogten Erdhölle kaum noch was. Dafür haben die außerhalb aufhältigen Reisenden umso mehr zu gucken. Die Inwändigen schmoren in der Lachsräucherkammer, bis ihr Teint das gewünschte Zartrosa annimmt, und das Volk der Abstinenten schaut den Menschenmüll entzückt an wie faules Gemüse auf dem Austin-Grill.

„Das hat mir imponiert“, sagt Helmut Mehdorn, Chef der Deutschen Bahn, gerade von einer Dienstreise nach Washington zurückgekehrt, „die amerikanischen Lösungen sind doch immer die besten. Wir übernehmen das.“ Mitte März 2004 soll der erste Raucherschaukasten auf einem deutschen Bahnhof installiert werden. „In Zukunft“, so Mehdorn, „fallen dann nicht nur die hässlichen Raucherecken weg, dann steigt auch der Unterhaltungswert unserer Bahnhöfe.“ – „Für nicht rauchende Reisende“, ergänzt er affektiert hüstelnd. „Und Pilotbahnhof wird Essen sein.“

Auf die gute Nachricht rauchen wir erst mal drei.