Run auf Stiftungs-Millionen

Die Stiftung Wohnliche Stadt kann sich vor Anträgen kaum retten. 80 Prozent davon kommen aus der Verwaltung selbst. Und um dem Stiftungsrat die Auswahl zu erleichtern, liefern die Ressorts ein Ranking der Projekte gleich mit

taz ■ 145 Förderanträge über insgesamt 25 Millionen Euro bei nur zehn Millionen Euro voraussichtlichen Einnahmen – wenn der Rat der Stiftung Wohnliche Stadt am 11. März über die Mittelvergabe 2003 entscheidet, werden einige Projekte leer ausgehen. „Vielfach ist der Eindruck entstanden, dass die Stiftung jetzt deutlich mehr Geld ausschüttet“, sagt Stiftungs-Chef Dietrich Damm.

An diesem Eindruck ist die Stiftung selbst nicht ganz unschuldig. Denn statt wie üblich etwa acht Millionen Euro für Bremen und zwei Millionen für Bremerhaven zu vergeben, bewilligte die Stiftung im letzten Jahr insgesamt 27,6 Millionen Euro – die Auflösung der Rücklagen machte es möglich. Die eigentlichen Einnahmen der Stiftung aus der Spielhallen-Abgabe betragen nur zehn Millionen Euro. Jetzt gilt: Was in den letzten Jahren zugesagt, aber noch nicht abgerufen wurde, muss aus den laufenden Einnahmen bestritten werden. Und bei den rund zehn Millionen Euro, die auch dieses Jahr voraussichtlich vergeben werden, spekuliert die Stiftung darauf, dass zumindest ein Teil davon erst in den nächsten Jahren eingefordert wird.

Großprojekte wie der mit acht Millionen Euro bezuschusste Umbau des Goethe-Theaters gibt es in diesem Jahr nicht. Ein paar Dutzend Spielplatzinitiativen wollen jeweils einen fünfstelligen Zuschuss, in der gleichen Größenordnung liegen die Anträge für Schulhof-Umbauten. In Woltmershausen, an der Osterholzer Heerstraße und an der H.-H.-Meier-Allee sollen so genannte Marktplätze eingerichtet werden, die Stadtbibliothek will Geld, um im Polizeihaus-Atrium einen Lesegarten einrichten zu können. 400.000 Euro sind beantragt, um den Innenhof des alten Gerichtsgebäudes für Außengastronomie und Kultur herzurichten. Und und und. Kein Einzelwunsch überschreitet in diesem Jahr die Millionengrenze.

80 Prozent der Anträge reichen die Ressorts selbst bei der Stiftung ein; private Initiativen müssen ihre Anträge zunächst ebenfalls bei der Fachbehörde vorlegen. Die entscheidet nicht nur, ob sie das Projekt für sinnvoll hält, sondern auch, an welcher Stelle der Vorschlag steht. Auf ausdrücklichen Wunsch der Stiftung führen die Ressorts nämlich auch gleich ein Ranking durch. „Wenn denen die Sache nicht so wichtig ist, dann fällt sie unten durch“, mutmaßt Schlachthof-Mitarbeiter Matthias Otterstedt.

Der Konflikt, was staatliche Pflicht – laut Satzung nicht aus Stiftungsgeldern zu finanzieren – und was „wohnliche“ Kür ist, schwelt indes immer noch. Die Sanierung eines maroden Spielplatzes etwa fiele in den Aufgabenbereich der Kommune. Wird der noch nicht völlig rotte Platz aber aufgepeppt, ist das ein Zusatzangebot – also förderfähig.

Die Schlachte-Planungen etwa für die die Stiftung 2004 Mittel in Höhe von 2,4 Millionen Euro in Aussicht gestellt hat (siehe unten), würde ein Viertel ihres Haushalts verschlingen. Theoretisch ist trotzdem Platz für andere größere Projekte, zum Beispiel das Flussbad, das Viertel-Ortsamtleiter Robert Bücking sich statt des Stadionbades wünscht. „Diese Projekt würden wir ohnehin nur fördern, wenn sich dort für die Allgemeinheit ganz neue Nutzungen ergäben. Nur die Veränderung oder Verbesserung der bestehenden Struktur ist nach der Satzung nicht förderungsfähig.“ Was aber ist mit der Schlachteverlängerung? Ergeben sich da denn tatsächlich „ganz neue Nutzungen“? „Was soll ich dazu sagen?“, fragt Damm. Der Stiftungszweck ist offensichtlich dehnbar. sim
/hey