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: Der neue Sheriff schießt scharf

Isiah Thomas, seit zwei Wochen Präsident der New York Knicks, holt mit Stephon Marbury und Penny Hardaway zwei All Stars

Bis vor kurzem war Isiah Thomas noch ein Mann, den die Sportfans in New York von ganzem Herzen hassten. Als Anführer der berüchtigten Bad Boys von den Detroit Pistons hatte er die Basketballer der New York Knicks in den 80er-Jahren beharrlich daran gehindert, an der NBA-Meisterschaft zu schnuppern, und dass er zuletzt drei Jahre lang den Erzrivalen Indiana Pacers coachte, bis ihn deren neuer Sportdirektor Larry Bird feuerte, machte die Sache nicht besser. Lieben werden sie Thomas in New York vermutlich nie, doch immerhin hat er es in nur zwei Wochen geschafft, dass seine Sünden größtenteils vergessen sind.

Kurz vor Weihnachten war Isiah Thomas von James Dolan, Chef des Madison Square Garden und damit Besitzer der Knicks, zum Präsidenten des Basketball-Teams ernannt worden. Er ersetzte den ungeliebten Scott Layden, der einen missratenen Deal an den anderen gereiht hatte. „Eine coole Corleone-Aktion“, nannte der Regisseur und altgediente Knicks-Fan Spike Lee die überraschende Wendung.

Isiah Thomas stellte sofort klar, dass es ihm nicht reicht, das schwächelnde Team in die Play-offs zu bringen. „Unser Ziel ist die NBA-Meisterschaft“, erklärte er unmissverständlich. Angesichts der Umstände ein Projekt, das fast lächerlich klang. Thomas focht dies nicht an. „Man hat mich auch verspottet, als ich gesagt habe, dass wir mit Detroit Meister werden würden.“ Ein Ziel, welches 1989 und 1990 tatsächlich erreicht wurde.

In New York sind die Spötter spätestens am Montag verstummt. Da hatte Isiah Thomas geschafft, was unter Scott Layden als unmöglich galt, nämlich einen Point Guard von All-Star-Format zu verpflichten. Jetzt kam mit Stephon Marbury aus Phoenix einer der besten der Liga, als Zugabe zudem mit Penny Hardaway ein weiterer All Star. Der Preis war hoch, doch nicht unvernünftig. An die Suns abgegeben wurden Antonio McDyess, Howard Eisley, Charlie Ward, Maciej Lampe und Milos Vujanic, Spielmacher des jugoslawischen Weltmeisterteams, der noch bei Skipper Bologna spielt, dazu zwei Draftpicks und, wie es heißt, drei Millionen Dollar. Die langfristigen Verträge von Marbury und Hardaway erhöhen die Gehaltssumme der Knicks, mit bisher 89 Millionen Dollar ohnehin NBA-Spitze, noch einmal drastisch. Dafür haben sie jetzt ein Team, dass mit seiner Starting Five Marbury, Allan Houston, Keith van Horn, Kurt Thomas und Dikembe Mutombo zu den besten der Eastern Conference gehören könnte. „Es war klar, das mit einem neuen Sheriff in der Stadt alles durcheinander gewirbelt wird“, sagt Center Mutombo und ist überzeugt: „Wir haben das bessere Geschäft gemacht.“ Van Horn dagegen mahnt zu Vorsicht. „Auf dem Papier, vom Talent her, sind wir damit Spitze, aber das ist eben nur Papier.“ Der Forward hatte in New Jersey seine Erfahrungen mit dem 26-jährigen Marbury gemacht, einem schwierigen Charakter, dessen NBA-Karriere von Zusammenstößen mit Kollegen begleitet war. In Minnesota schied er vor allem von Kevin Garnett im Zwist, in New Jersey geriet er mit Van Horn aneinander, den er als Weichei abqualifizierte, und auch in Phoenix kam seine Art, die Mitspieler anzumotzen, wenn es schlecht lief, nicht gut an. Wohl ein Grund, warum ihn die Suns so leichthin wegschickten, abgesehen davon, dass sich Phoenix Gehaltsspielraum verschaffen wollte, um im Sommer möglicherweise Kobe Bryant nach Arizona zu locken.

Für New York könnte Stephon Marbury dennoch die ideale Besetzung sein. Ein brillanter Spielmacher, der Partien drehen und entscheiden kann, in Phoenix über 20 Punkte pro Partie erzielte und mit 8,3 Assists im Schnitt an zweiter Stelle hinter New Jerseys Jason Kidd (9,6) liegt. Für Tony Parker vom Champion San Antonio ist Marbury, welcher den Franzosen in der ersten Play-off-Runde schier zur Verzweiflung trieb, der am schwersten zu verteidigende Point Guard der Liga.

Dazu bringt Stephon Marbury den Knicks solide Defense gegen Point Guards, die bisher leichtes Spiel mit New York hatten, und er dürfte extrem motiviert sein. Der in Brooklyn geborene Marbury war eine Highschool-Legende auf Coney Island und vages Vorbild für die Figur des Jesus Shuttleworth in Spike Lees Basketball-Film „He Got Game“. Seit jeher war es sein Traum, für die Knicks zu spielen, und er garantiert attraktiven Basketball, wie ihn die New Yorker lieben.

„Nahe an einem Homerun“, kommentierte Knicks-Coach Don Chaney den Deal mit Phoenix. Zu sicher sollte er sich aber nicht fühlen. „Ich mache keinen Hehl daraus, ich liebe das Coachen“, hat Isiah Thomas unlängst gesagt. MATTI LIESKE