Ausländer-Kohl in China

Kohl ist in Nordchina ein traditionelles Gemüse. Bis vor kurzem gab es im Winter nichts anderes

China-Kohl ist kein Ausländer-Kohl – zumindest nicht aus Chinesischer Perspektive. So wie die Deutschen bei der Kohlsorte aus dem fernen Osten darauf hinweisen, dass sie aus weiter Ferne stammt, nennen viele Chinesen den hierzulande gängigen Weißkohl „Ausländer-Kohl“. Nicht nur der Mechanismus der Namensgebung – auch die Klischees über das Gemüse sind in beiden Ländern sehr ähnlich.

Chinakohl gilt in Nordchina traditionell als ein Wintergemüse. Fang Fen, eine 25-jährige Beamtin aus Hunan, sagt: „Als ich klein war, habe ich noch gehört, es gebe im Winter in Nordchina nur Chinakohl. Jetzt habe ich drei Jahre in Peking gearbeitet und weiß, das ist ein Klischee.“

Cheng Weiping ist eine 56-jährige Englischlehrerin hat in Nordwestchina studiert. „Damals aßen wir jeden Tag im Winter in Qinghai Chinakohl und Kartoffeln“, erinnert sich Cheng.

Ihre Erinnerung trügt nicht. Früher war Chinakohl tatsächlich das Hauptgemüse im Winter in Nordchina. Sogar in der Hauptstadt Peking aß man immer Chinakohl zu den drei Mahlzeiten. Anfang Dezember musste man in Peking Schlange stehen, um Chinakohl einzukaufen, erzählt der Rentner Zhang Xiaorong. „Damals gab es insgesamt fünf Personen in meiner Familie. Wir kauften jährlich mindesten 100 Kilogramm Chinakohl auf einen Schlag. Jeder Junge musste den Eltern dabei helfen, die Kohlköpfe nach Hause zu schleppen. Auf vielen Straßen und Hutongs wurden viele Tausenden Kohlköpfe zu Mauern gestapelt. Kinder spielten dazwischen Chinakohl Verstecken“, erinnert sich Zhang.

Spätestens seit dem Jahr 2000 müssen die Pekinger nicht mehr für Kohl Schlange stehen. „Früher waren Kartoffeln, Chinakohl und Möhren die drei wichtigsten Gemüsesorten in Nordchina. Fast zu jeder Mahlzeit aßen wir Chinakohl. Zum Mittag aßen wir Chinakohl mit Tofu und zum Abend mit gesalzenem Fisch. Sogar zum Frühlingsfest machten wir Jiaozi (Teigtaschen) mit einer Füllung aus Schweinefleisch mit Chinakohl“, sagt Zhang.

Durch die Modernisierung der Landwirtschaft und bessere Verkehrsverbindungen kann man jetzt im Winter fast alle Gemüse essen. Aber es scheint so, als sei, Chinakohl im Winter zu essen, eine Tradition für die Pekinger geworden.

Neben dem Chinakohl gibt es viele andere Kohlsorten in chinesischen Gemüsemärkten, zum Beispiel Blumenkohl, Weißer Senf, Roter Kohl und Weißkohl. Obwohl der Weißkohl in China oft„Auslandskohl“ genannt wird, betrachten die Chinesen ihn gar nicht als Fremdling, was eine Online-Umfrage belegt. Insgesamt 400 Internet-User, zwischen 23 bis 33 Jahre alt, wurden danach gefragt, was ihnen einfällt, wenn sie an Weißkohl denken. Niemand ist „Kohl aus dem Ausland“ eingefallen. Die meisten Antworten nennen den „niedrigen Preis“, guten oder schlechter Geschmack oder dass Weißkohl schwerer zu kochen ist als Chinakohl“. Nur zehn Befragte erwähnten den Nährstoffreichtum des Kohls. XU BEI