urdrüs wahre kolumne
: Bullensäue gibt es nicht

Gelegentlich hat unsereins mit zornigen jungen Menschen zu tun, die das „Schweinesystem“ in seine Schranken verweisen wollen und sich auch schon mal dahin gehend äußern, der einen oder anderen „Bullensau“ Gewalt antun zu wollen. Immer wieder verweise ich dann darauf, dass es a) Bullensäue trotz aller Zuchtmanipulationen nicht gebe und b) auch Polizeibeamten das Recht auf körperliche Integrität zugestanden werden muss. Dieses Bemühen um Mäßigung aber findet dort seine Grenzen, wo solche Vollstrecker wie jetzt in Oldenburg Bewohnern des Flüchtlingslagers Blankenburg ihr Geld abknöpfen, das ihnen womöglich von Gutmeinenden zum Erwerb von Winterklamotten oder für Sprachkurse geschenkt wurde. Solche Scham- und Herzlosigkeit findet ihre Strafe leider nicht in sich selbst, da die dafür erforderliche Instanz, ein schlechtes Gewissen, bei solchen Typen schlicht nicht vorhanden sein dürfte.

Dieser Tage hatte ich das (noch jetzt folgenschwer zu spürende) Vergnügen, am Bockbieranstich der Schaumburger Privatbrauerei in Stadthagen teilnehmen zu dürfen, wo neben Fürst Alexander zu Schaumburg-Lippe auch der sauerländische Arbeiterführer Franz „Münte“ Müntefering geladen war, der in seinem Grußwort bekannte: „Schwarz ist im Grunde auch nur ein ganz ganz dunkles Rot.“ Mit dieser politischen Farbenlehre lässt sich natürlich selbst in diesen Zeiten großkoalitionäre Treue beschwören. Leider hat die Kapelle darauf verzichtet, „Der Steiger kommt“ zu intonieren, was Auftritte dieses Bebel- und Scharping-Nachfolgers immer so schön pathetisch macht.

Die alten Römer fraßen Nachtigall-Zungen und lockten den Mageninhalt für neue Genüsse mit der Gänsefeder wieder aus dem Schlund hervor. Und die Hamburger Szene-Gastronomen Behrous und Behmann Moaiyeri lassen auf dem Klo per Animation Fische über den Boden schwimmen und durch die Schritte der pullernden Kundschaft Wasserwellen entstehen. Und geöffnet ist die Bühne für derlei Schnickschnack in Rotherbaum natürlich „open end“, wobei man das Personal nur herzlich bedauern kann, das sich durch den auf so was abfahrenden Pöbel den Feierabend versauen lassen muss. Am Ende raucht so was auch noch Mentholzigaretten!

Im Morgengrauen zur Abfahrt mit dem Regionalexpress über den Bremer Freimarkt zu ziehen, kann beklemmende Einsichten vermitteln: Am buntbemalten Sockel eines Fahrgeschäfts hocken drei Menschen unterschiedlichen Alters mit jeweils einem gewaltigen Plastiksack voller Pfandflaschen und spielen Karten, wobei sie die Ausbeute ihrer Sammeltätigkeit als Einsatz nutzen – und darüber heftig in Streit geraten. Worauf eine ziemlich derangiert wirkende Frau auf sie zutritt mit den Worten: „Müsst ihr armen Schweine euch noch gegenseitig bescheißen, statt euch mal zu vertragen?“ Die Mahnerin, sie wird beschimpft, bedroht, verhöhnt. Und trottet resigniert weiter. „Dann“, murmelt sie noch, „lasst euch doch weiter verarschen.“

Leider keine Zeit mehr für eine gemeinsame Tasse Kaffee hatte ULRICH „Eisenbahner“ REINEKING

AUTORENHINWEIS:ULRICH REINEKING, Journalist und Kabarettist, unterscheidet in seiner Ablehnung kaum zwischen Menthol- und anderen Zigaretten.