Commerzbank kündigt Betriebsrenten

Die Verträge mit den 26.000 Beschäftigten laufen Ende 2004 aus. Rentenhöhe wird eingefroren, Ansprüche bleiben erhalten. Alterssicherung des Vorstands wird nicht gekürzt. Institut schafft Kosten aus der Bilanz – Übernahme wahrscheinlicher

AUS FRANKFURT/MAINKLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Das Schreiben des Vorstands der Commerzbank erhielten die rund 26.000 Beschäftigten der viertgrößten deutschen Bank am Montagabend. Kurz vor dem Jahreswechsel sei beschlossen worden, den Betriebsrentenvertrag zum Jahresende 2004 zu kündigen. Die „schwierige wirtschaftliche Lage des Unternehmens“ habe diese Entscheidung zwingend notwendig gemacht, so die Begründung. Einzige Ausnahme: Für die Mitglieder des Vorstandes zahlt die Commerzbank weiterhin die Beiträge in die hauseigene Pensionskasse ein. Die Betriebsrenten aller anderen Bankangestellten werden dagegen Ende 2004 „eingefroren“, wobei die bisher erworbenen Ansprüche erhalten bleiben. Neue Verträge werden nicht mehr abgeschlossen.

Bankenexperten gehen von einer Summe von bis zu 30 Millionen Euro pro Jahr aus, um die die Commerzbank ihre Bilanz entlastet. Das Institut sei mit der Kündigung des Pensionskassenvertrages, der wegen seiner langfristigen finanziellen Verpflichtungen vor allem von potenziellen ausländischen Interessenten als „Ballast“ bezeichnet worden sei, endgültig zum Übernahmekandidaten Nummer eins avanciert, erklärten Börsianer. Aus einer Position der Stärke heraus kann die Commerzbank auch 2004 nicht agieren, trotz einer Kapitalaufstockung um rund 760 Millionen Euro im vergangenen Geschäftsjahr. Commerzbankchef Klaus-Peter Müller prognostizierte für 2003 erneut einen Verlust von rund 2 Milliarden Euro.

Uwe Foullong, bei der Gewerkschaft Ver.di zuständig für den Finanzdienstleistungssektor und Mitglied im Aufsichtsrat der Commerzbank, nennt die Kündigung des Rentenvertrages einen „in der Bankenlandschaft einmaligen Skandal“. Die Commerzbank schade sich damit zuerst selbst, denn die Sache demotiviere die Beschäftigten natürlich „ganz außerordentlich“. Noch nicht einmal der Aufsichtsrat sei vom Vorstand offiziell informiert worden, geschweige denn der Betriebsrat. Gerade in Zeiten, in denen die andauernden Debatten um den Bestand der gesetzlichen Rentenversicherung Angestellte und Arbeiter ohnehin schon verunsichere, habe die Commerzbank jetzt „das falsche Signal gesetzt“, so Foullong.

Bei anderen Banken stehe eine Kündigung der Rentenverträge nicht an, sagt der Gewerkschafter. Um Betriebsrentenverträge überhaupt kündigen zu können, müsse sich ein Unternehmen nachweislich in einer „wirtschaftlich extrem schwierigen Situation“ befinden. Bei den anderen Banken aber sei die wirtschaftliche Lage lange nicht so prekär wie bei der Commerzbank. Doch Not kann erfinderisch machen: Im Tal der Tränen vor vier Jahren setzte die Adam Opel AG die Finanzierung der Betriebsrenten aus; allerdings nur für neue Mitarbeiter. Doch auch die sollen jetzt – nach Abarbeitung des Sanierungsplans „Olympia“ – in das System der betrieblichen Altersversorgung integriert werden, so ein Betriebsratssprecher. Entsprechende Verhandlungen mit dem Verstand jedenfalls stünden kurz vor einem Abschluss.

Ver.di und der Gesamtbetriebsrat der Commerzbank wollen jetzt durch ein Rechtsgutachten prüfen lassen, ob die Bank angesichts ihrer wirtschaftlichen Situation „in den Zeiten der gerade anspringenden Konjunktur“ überhaupt berechtigt war, den Pensionskassenvertrag zu kündigen. Das Gutachten soll am 22. Januar vorliegen. Danach werde eine außerordentliche Gesamtbetriebsversammlung einberufen, in der dann „weitere Maßnahmen“ beschlossen werden könnten. Die Betriebsrenten bei der Commerzbank seien schließlich ein integrativer Bestandteil der Vergütung der Beschäftigten gewesen, argumentiert Ver.di. Und in den „fetten Jahren“ habe die Bank mit dem Verweis auf die Rente um neue Arbeitskräfte geworben. Die Bank sieht das nüchterner: Die Betriebsrente sei eine „freiwillige Leistung“, die von der Bank „komplett bezahlt“ worden sei, so Banksprecher Stefan Roberg.