IN KROATIEN IST DER STAAT TEIL EINER MAFIOSEN SZENERIE GEWORDEN
: Anlass zur Selbstreinigung

Ein Krimiautor könnte sich nicht besser ausdenken, was gerade in Kroatien geschieht. Es gibt Anschläge und Schießereien, Mafia und Exgeneräle, Anwälte und Politiker, sogar die Polizei selbst ist in all das verstrickt. Als nun am vergangenen Donnerstag einer der bekanntesten und bestinformierten Journalisten des Landes, Ivo Pukanić, einem Bombenanschlag zum Opfer fiel, wunderte das eigentlich niemanden mehr. Denn jeder weiß, dass der ehemalige investigative Journalist längst selbst Teil der Szene war, in der er recherchierte.

Der kürzlich aus dem Journalistenverband ausgeschlossene Pukanić nutzte sein Wissen wahrscheinlich auch für persönliche Zwecke, konnte so wichtige Leute einzuschüchtern, vielleicht sogar erpressen. Reich war er jedenfalls geworden. Der Realkrimi um Pukanić weist auf eine Gesellschaft, die sich angesichts der näher rückenden Integration in die Europäische Gemeinschaft von einem Milieu lossagen muss, das im letzten Jahrzehnt, während des Krieges, entstanden ist. Durch das zu Beginn des Krieges auferlegte Waffenembargo der UN musste das von serbischen Truppen angegriffene Kroatien sich illegal Waffen beschaffen. Geheimdienste, Polizei, Militärs und Politiker agierten mit Waffenschiebern, wurden in einer unkontrollierbaren Grauzone schließlich selbst Teil einer kriminellen, den Staat unterwandernden Szene, die sich schamlos bereicherte und dabei mit schmalzigem Patriotismus schmückte.

Jetzt aber geht das alles nicht mehr. Die Regierung Sanader muss endlich ernst machen mit der Justizreform, muss die Strukturen dieser Szenerie zerschlagen, um das ersehnte Ziel Europa zu erreichen. Wer Dreck am Stecken hat, muss bei der Verhaftung von Mitwissern um seine Zukunft fürchten. Nichts wird mehr gefürchtet, als Aussagen und Beweise aus dem eigenen Hintergrund. So ist es kein Wunder, wenn Insider verschwinden, Journalisten ermordet, Verwandte von Konkurrenten entführt werden. Der Staat muss nun hart vorgehen und dabei selbst gesäubert werden. Das kann dauern: Die letzten Kapitel des Krimis in Kroatien sind noch lange nicht geschrieben. ERICH RATHFELDER