Die Hoffnung der FDP ist weiblich

Auf ihrem Dreikönigstreffen in Stuttgart heften die Liberalen fürs anstehende Wahljahr ihre Erwartungen an Generalsekretärin Cornelia Pieper. Aber die darf noch nicht einmal staatliche Kinderbetreuung fordern, ohne dass der Fraktionschef widerspricht

VON ULRIKE HERRMANN

Etwas mehr als zwei Stunden dauerte das „Dreikönigstreffen“ der Liberalen in Stuttgart, dann waren die fünf Reden der Parteispitze abgespult. Sie alle sollten eine einzige Botschaft aussenden, die Parteichef Guido Westerwelle so zusammenfasste: „Ich freue mich auf die Wahlen in diesem Jahr.“

Dieses Selbstbewusstsein ist nicht selbstverständlich. Die Aussichten der FDP bei acht Kommunalwahlen, fünf Landtagswahlen und einer Europawahl sind nicht erfreulich. Beispiel Europawahl: Seit zehn Jahren sind die deutschen Liberalen nicht mehr in Straßburg vertreten, zuletzt erhielten sie drei Prozent der Stimmen. Aussichtslose Kandidaturen werden gern an junge Frauen vergeben – so ließ auch die SPD Ute Vogt bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg gegen den CDU-Ministerpräsidenten Erwin Teufel antreten. Beim Europawahlkampf der Liberalen darf sich diesmal die 32-jährige Silvana Koch-Mehrin verschleißen.

Dafür hielt sie gestern brav eine Rede. Sie zitierte die Parteigrößen Genscher, Kinkel, Scheel sowie Heuß und präsentierte ansonsten Europa-Erkenntnisse wie: „Wir haben jetzt eine gemeinsame Währung.“ Die FDP-Mitglieder lauschten höflich und wirken etwas erschöpft.

Was die fünf Landtagswahlen angeht, so ist die FDP momentan nur in einem Parlament vertreten: in Hamburg. Dort jedoch fielen die Liberalen bisher nicht durch Kompetenz auf; ihr Konteradmiral Rudolf Lange musste vorzeitig als Schulsenator zurücktreten. In den Wahlumfragen liegt die FDP bei vier Prozent.

Ähnlich düster sieht es im Saarland, in Thüringen, Sachsen und Brandenburg aus. Die liberalen Hoffnungen richten sich daher ausschließlich auf Generalsekretärin Cornelia Pieper, die vor zwei Jahren in Sachsen-Anhalt das Traumergebnis von 13,3 Prozent der Stimmen einfahren konnte. Dieser kollektiven Erinnerung an ein östliches Wahlwunder ist es zu verdanken, dass die Generalsekretärin im letzten Jahr nicht abgesetzt wurde. Viele Parteimitglieder hatten ihr vorgeworfen, dass die FDP kaum noch in den Medien vorkommt. Damit war allerdings auch Parteichef Westerwelle gemeint. Einzig die liberalen Frauen hielten unverbrüchlich zu Pieper.

Seither forciert die Generalsekretärin noch stärker die Frauenthemen in der FDP, die die männlichste aller deutschen Parteien ist. Weniger als ein Fünftel ihrer Bundestagsabgeordneten sind weiblich. Aber auch gestern drang Pieper mit ihrer Botschaft nicht durch. Sie forderte zwar mehr staatliche Kinderbetreuung – doch wurde sie von Fraktionschef Wolfgang Gerhardt konterkariert. Ihm war es viel Redezeit wert zu betonen, dass staatliche Angebote „die Familie nicht ersetzen“ können.

Und noch eine letzte Wahl hat die FDP zu überstehen: jene zum Bundespräsidenten am 23. Mai. Die Union hat nur mit den Liberalen eine Mehrheit in der Bundesversammlung – und auch gestern ließ sich Westerwelle „die Option offen“, einen eigenen FDP-Kandidaten zu präsentieren. „Mir fallen ein paar vorzügliche liberale Persönlichkeiten ein.“ Es wird gemurmelt, die Liberalen könnten die ehemalige Ausländerbeauftragte Cornelia Schmalz-Jacobsen vorschlagen – oder aber Gerhardt.

Ansonsten mühte sich Westerwelle gestern redlich, zu jedem Politikfeld eine Position zu formulieren. Gesundheit: komplette Privatisierung der Kassen. Pflege: Umstellen auf private Vorsorge. Arbeitslose: Auch untertarifliche bezahlte Jobs sind eine Möglichkeit der Selbstverwirklichung. Vor allem aber wünschte sich Westerwelle eine „Debatte über Werte und Begriffe“. Respekt, Nächstenliebe und Herzensbildung sollten die „Gleichmacherei“ ersetzen.

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