Unnötige Pfiffe für den Kindergarten

Der VfB Stuttgart putzt Borussia Mönchengladbach mit 4:0 vom Rasen. Manchen Fans ist selbst das nicht genug

STUTTGART taz ■ Vermutlich wäre der Fußballlehrer Felix Magath am Sonntagabend richtig zufrieden nach Hause gefahren – weil seine Mannschaft beim 4:0-Sieg über Borussia Mönchengladbach genau so gearbeitet hat, wie sich der Trainer das in dieser Situation vorgestellt hat: gleich zu Beginn zwei Treffer vorgelegt und damit für Ruhe gesorgt. Eine Stunde lang Kräfte gespart und mit Krassimir Balakow und Heiko Gerber auch noch zwei Senioren für das Uefa-Cup-Rückspiel gegen Celtic Glasgow am Donnerstag geschont. Im Finale noch einmal aufgegeigt und die Galerie mit zwei weiteren Toren eingestimmt für die Aufholjagd mit den Schotten, wobei auch noch Magaths ehemaliger Zögling Horst Heldt, ein bereits zu den Alten Herren in Österreichs Alpenliga abgeschriebener Nationalspieler, während seiner kurzen Premiere im Daimler-Stadion vorführen konnte, dass von dem 33-Jährigen noch manch gescheiter Impuls für die „jungen Wilden“ zu erwarten sei. Alles bestens also. Bis auf die Pfiffe im zweiten Spielabschnitt, die dem Trainermanager aufs Gemüt schlugen: „Das muss man doch einmal verstehen, dass man nach einem solch harten Programm (0:2 in Schalke, 1:3 in Glasgow) einen Gang zurückschaltet nach klarer Führung“, ereiferte sich Magath. Selbst beim großen FC Bayern würden die Fans Ergebnisfußball tolerieren – „obwohl die keine internationalen Partien mehr zu bewältigen haben“.

Es war dies die erste Begegnung des gebürtigen Franken mit der Sippe der Bruddler, die sich zwei Jahre lang an ihren Stammtischen verkrochen hatte, aber nun, da der VfB auch international etwas darstellen möchte, auf sich und den ganz besonderen spielerischen Anspruch, den man hierzulande in der Epoche des „magischen Dreiecks“ einst gepflegt hat, aufmerksam machen wollte. Der Blick auf die Tabelle reizt zu solchen Illusionen – oder Irritationen. Vor Freude, oben dabei zu sein, das nächste internationale Geschäftsjahr vermeintlich mit sechs Punkten Vorsprung schon gebont, verkennen manche Anhänger, dass sich die „jungen Wilden“ noch immer in einem Lern- und Entwicklungsprozess befinden.

In dieser Phase sei praktisch jeder gefährdet, erklärt Magath, das sei geradezu logisch. Aber der Meister hat dennoch das Gefühl, „dass alle diese Situation raffen“. Ob nun Andreas Hinkel („der für mich am weitesten ist“) oder Kevin Kuranyi, der nach der Diskussion über den künftigen Torjäger der Nation von Magath recht direkt aus allen schwarz-rot-goldenen Fantastereien zurückgeholt wurde auf den Boden von Cannstatt. „Er hat es selbst eingesehen“, sagt der Trainer, „er hat sich wieder richtig reingehängt.“

Nach seinen beiden Treffern führt der Zwanzigjährige mit zwölf Toren die Liste der Goalgetter mit deutschem Pass an, doch genauso effektiv ist der Vollstrecker als Vorarbeiter: Beim 2:0 brauchte Kollege Amanitidis den Ball nur noch ins leere Tor zu köpfeln, vorm 3:0 hatte Kuranyis Zuspiel Heldt jede Menge Raum und Zeit verschafft, um Ganea den problemlosen Abschluss zu ermöglichen.

Die vier Tore und das damit gewachsene Selbstbewusstsein sorgen für Zuversicht vor der für die (finanzielle) Zukunft des Schwabenklubs so wichtigen Partie mit Schottlands Renommier-Klub. Die Reisegruppe aus Mönchengladbach dagegen machte sich mit schlimmen Ängsten auf den Heimweg. Diese Borussia ist keine Mannschaft mehr; es reicht nicht, dass der bullige van Lent jedes Kopfballduell gewinnt und die halbe Liga neidisch auf Mikael Forssell, den trickreichen finnischen Ausleihstürmer vom FC Chelsea, schaut. Keiner der beiden Angreifer konnte sich auch nur einmal gefährlich in Szene setzen. Der einzige Schuss aufs Stuttgarter Tor entsprang eher dem Zufall – als die Kugel plötzlich an die Latte krachte, war keiner mehr erschrocken als der, der abgezogen hatte: Jeff Strasser, der Luxemburger Rumpelfüßler.

Diese Truppe besitzt keinen Zusammenhalt, es fehlen Konzentration und Aggressivität; und das Trainer-Original Hans Meyer kann einem nur noch Leid tun. „Unterirdisch“, schimpfte ran-Reporter Werner Hansch. Bleiben wir sachlicher – und erklären Borussia Mönchengladbach zum Abstiegskandidaten Nummer eins. MARTIN HÄGELE