Preisregen für die Debütantin

Bei den Grammy Awards heimste die Jazzsängerin Norah Jones gleich achtmal den höchsten US-Musikpreis ein

Ist es ein weiteres Zeichen für die Krise der Musikindustrie, dass sie all ihre Hoffnungen auf eine Newcomerin richtet, oder spricht es vielmehr für ein ungebrochenes Selbstvertrauen? Mit Norah Jones dominierte jedenfalls wieder eine Debütantin die Grammy-Awards-Gala, die am Wochenende – nach ein paar Jahren im kalifornischen Exil – erstmals wieder in New York über die Bühne ging. Nach dem Erfolg der Soulsängerin Alicia Keys im vergangenen Jahr, die damals in fünf Kategorien den Hauptpreis mit nach Hause nahm, war es nun schon das zweite Mal in Folge, dass eine junge Nachwuchskünstlerin die Verleihung der begehrtesten US-Musikpreise dominierte.

Es deutet nicht wirklich auf eine Bildungslücke hin, wenn einem der Name bislang nicht geläufig war, denn bis vor einem Jahr war Norah Jones selbst in Jazzkreisen noch völlig unbekannt. Doch dann verkaufte sich ihr Debüt-Album „Come Away With Me“ weltweit über sechs Millionen Mal und rettete damit nicht nur ihre Plattenfirma, das traditionsreiche Jazz-Label Blue Note, vor dem kommerziellen Aus, sondern machte die erst 23-jährige Sängerin und Pianistin damit zur jüngsten Hoffnungsträgerin des Genres. Dafür ist ihre geschmackvolle Gratwanderung zwischen Jazz-Standards, Country und Songwriter-Folk aber auch nur bedingt unter dem Begriff Jazz klassifizierbar.

Für ihre Debüt-CD „Come Away With Me“ wurde Norah Jones am Sonntagabend nun im Madison Square Garden mit dem Preis für das beste Album des Jahres bedacht. Daneben bekam sie in vier weiteren Kategorien – unter anderem als beste Newcomerin, für die beste Single und für das beste Pop-Gesangs-Album – eine goldene Grammophon-Statue in die Hand gedrückt, die sie mit schüchternen Dankesreden entgegennahm. Komplettiert wurde der Erfolg mit zwei weiteren Preisen für ihren Produzenten Arif Mardin und einen für den Autor von „Don’t Know Why“, ihren Gitarristen Jesse Harris. Damit lief die Newcomerin solchen Schwergewichten wie Bruce Springsteen und Eminem den Rang ab.

Norah Jones ist, wie gerne vermeldet wird, eine Tochter des indischen Sitar-Virtuosen und Woodstock-Veteranen Ravi Shankar, 82. Aus dessen Beziehung zu der ehemaligen Musikpromoterin Sue Jones entstammt die 23-Jährige, die – nach der Trennung ihrer beiden Eltern – alleine bei ihrer Mutter in Grapevine, Texas, aufwuchs. An der Universität von Nordtexas studierte sie Klavier, bevor sie 1999 nach New York aufbrach, um ihre musikalische Laufbahn zu befördern. Die indische Zeitung Asian Age berichtete am Wochenende, Norah sei lange Zeit nicht gut auf ihren Vater zu sprechen gewesen und erwähne ihn öffentlich nicht. Sie habe es ihm verübelt, dass er ihre Mutter verlassen habe. In ihrer Dankesrede erwähnte sie ihn auch mit keinem Wort.

Eine Kuriosität am Rande war, dass mit Anoushka Shankar am Abend eine weitere Tochter des Sitar-Senioren auf der Grammy-Nominierungsliste stand. Sie war in der Kategorie World Music nominiert, ging aber leer aus. Die 21-jährige Tochter aus dessen heutiger Ehe wurde von ihrem Vater als Meisterschülerin ausgebildet und tritt auch mit ihm auf. „Norah ist eine wundervolle Sängerin, und ich bin glücklich für sie“, hatte Anoushka vor der Gala-Veranstaltung über den Erfolg ihrer Halbschwester gesagt.

DANIEL BAX