Gepäck und Auswanderer

„175 Jahre Transatlantischer Paketliniendienst“: Eine Ausstellung im Hamburger Museum für Kommunikation fokussiert ein spannendes Segment Hamburger und Bremer Wirtschaftsgeschichte

Sechs Atlantiküberquerungen hat das sperrige Gepäckstück hinter sich. Das war anhand der Aufkleber des Überseekoffers herauszubekommen, der vom Flohmarkt in die Ausstellung des Hamburger Museums für Kommunikation gebracht wurde. Er gehört zu den Anschauungsobjekten einer Schau, die zwei historische, besonders mit Bremen verbundene Daten feiert. Vor 75 Jahren, ein Jahr nach Lindberghs Atlantiküberquerung, wurde das Team Hermann Kohl, Ehrenfried Günther Freiherr von Hünefeld und James C. Fitzmaurice beiderseits des Atlantiks bejubelt: Es war am 13. April 1928 mit der deutschen Junkers mit dem Namen „Bremen“ erstmals in Ost-West-Richtung über den Atlantik geflogen. Schon vor 175 Jahren wurde aber der erste „Freundschafts,- Handels- und Schifffahrtsvertrag“ zwischen den USA und Bremen geschlossen.

Die von der posteigenen Firma DHL gesponserte Ausstellung besteht im Wesentlichen aus 28 großen gelben Informationstafeln, die erstaunliche Fakten aus der transatlantischen Wirtschaftsgeschichte Bremens und Hamburgs vermitteln. Mit der Ausfahrt des Postdampfers „Constitution“ begann 1828 die Reise von Menschen, vor allem Auswanderern, Waren und Post über den Atlantik, der erst in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts ein Ende fand: 1959 lösten viermotorige Düsenflugzeuge die Schiffe ab, und schon vier Jahre später übertrafen die Fluggastzahlen die der Schiffsreisenden. 1970 zogen die ewigen Konkurrenten „Norddeutscher Lloyd“ aus Bremen und die zeitweilig größte Reederei der Welt, die „Hamburg-Americanische-Packetfahrt-Actiengesellschft“ die Konsequenzen und fusionierten zur Reederei „HAPAG-Lloyd“, die dann sogar auch Flugzeuge betrieb.

Heute nur noch zur Kreuzfahrt-Touristik genutzt, waren die großen Linienschiffe einst die einzigen Fahrzeuge über den Atlantik. Exemplare des Bordgeschirrs, Briefe und Koffer veranschaulichen den Luxus der ersten Klasse, ohne das Schicksal der Auswanderer im Zwischendeck vergessen zu machen. Weitergehende Informationen zur Seepost finden sich im blauen Raum der Dauerausstellung.

Infolge des jetzt gefeierten Vertrags wurde Bremen ab 1846 zur „Ausschließlichen Agentur“ für den Postverkehr der USA mit ganz Europa, und der regelmäßige Dampferdienst Bremen-New York vom US-Congress wurde mit 400.000 Dollar subventioniert. Noch seltsamer aber ist, dass Bremen in gewisser Weise seine heutige Selbständigkeit dieser alten Vorrangstellung verdankt: Lucius D. Clay, der Oberkommandierende der US-amerikanischen Besatzungstruppen in Deutschland, machte Bremen wieder zu einer selbständigen politischen Einheit als US-Enklave im britischen Norddeutschland, woraus sich später fast automatisch der Status als eigenes Bundesland ergab. Und jener Lucius D. Clay kannte Bremen aus seiner Familiengeschichte: Er war der Urenkel des Außenministers Henry F. Clay, der die Verträge von 1827/1828 ausgehandelt hatte. Hajo Schiff

175 Jahre Transatlantischer Paketliniendienst, Museum für Kommunikation Hamburg; Di–So 9–17 Uhr; bis 22.2.