Das Weilheimer Musikerkollektiv „Tied & Tickled Trio“ kommt als Bigband in die Fabrik
: Krautrock, der sich Jazz nennt

Ein lang gehegter Traum geht für Markus und Micha Acher in Erfüllung: endlich können die hauptamtlichen Notwist-Macher mit ihrer Elektro-Jazz-Kapelle Tied & Tickled Trio in großer Besetzung auf Tour gehen. Der letztjährige Höhenflug Weilheimer Musikprodukte, wie eben Notwist oder auch Console, erlaubt den Brüdern, endlich auch einmal kostspieligere Unternehmungen in Angriff zu nehmen. Im Falle des T&TT, das im Grunde ja ein Sextett ist, heißt dies, es geht nun mit allen auf Konzertreise, die beim letzten Album Observing Systems mitwirkten. Und so ist das uneigentliche Trio zur veritablen 13-köpfigen Bigband geworden.

Was sich in dieser großen Besetzung widerspiegelt, ist indessen nicht Größenwahn plötzlich arrivierter Indierocker, die für jeden musikalischen Gimmick irgendwelche Freunde mit auf die Bühne schleppen. Vielmehr geht es darum, den Gedanken hinter dem T&TT, der sich gerade auf der letzten Platte sehr deutlich zeigte, nun auch live ganz klar zu manifestieren: nämlich die Idee des Kollektivs.

Im Jazzthetik-Interview äußerten die Achers, dass, anders als bei einer „normalen“ Band, beim Kollektiv die Einzelcharaktere mehr im Vordergrund stünden. Diese wiederum missbrauchten ihre Freiheit aber nicht, sondern arbeiteten dem gemeinsamen Nenner aus verschiedenen Richtungen zu. Und so käme es zu dem einmaligen T&TT-Sound.

Neben in Elektro wie auch im Jazz sehr selten anzutreffenden Instrumenten wie etwa Bass- und Bb-Klarinette, bestimmt dabei vor allem die Herangehensweise der Musiker den Sound. Es geht nicht um „Checkermusik, die professionell, clean und perfekt“ ist: „Wichtig ist, dass es losgeht.“ Das tut es durchaus. So gehörig das, was die Band im Studio „rough und schnell“ eingespielt hat, gelegentlich auch wackelt und scheppert: die Energie stimmt. Denn, wie Micha Acher es ausdrückt, „wenn es zusammen wackelt, ist es doch super“.

Und so ist es auch eine wirklich schöne Leistung, diese Energie auf Platte gebannt zu haben. Man kann diese auf Observing Systems geradezu nachfühlen. Insbesondere Bassklarinettist Uli Wangenheim und Tenorist Johannes Enders verstehen es, in ihren Solos ordentlich Druck zu machen und den Rest der Musiker mitzureißen.

Soweit klingt all das per definitionem also schon nach Jazz. Im Großen und Ganzen wird das T&TT von Presse und (Pop-)Hörern ja auch als Jazz rezipiert. Was dabei allerdings übersehen, vielmehr überhört wird, ist – zumindest auf CD – eine gewisse Starre. Die rührt daher, dass gerade die Rhythmusgruppe zu sehr an ihren loophaften Grooves und Linien haftet. Sicher, von den Achers angeführte Vorbilder wie Sun Ra oder auch der späte Coltrane haben auch auf repetitiven, Funk-ähnlichen Grooves aufgebaut. Und deren Musik war stets Jazz.

Bei den Amerikanern war aber solche Reduktion nur ein Mittel zu größerer improvisatorischer Freiheit. Bei den Aufnahmen des T&TT drängt sich hingegen schon einmal der Gedanke auf, dass die Beschränkung auf strikte Rhythmusabläufe wohl eher dem indierockigen und elektronischen Background von T&TT geschuldet ist.

So mag die Band, was „Intensität und Spirit“ anbelangt, die Micha Acher zu Recht als Hauptingredienzen credibler Jazz-Musik anführt, durchaus jazzig funktionieren. Die Musik aber bleibt rockistisch, ist vielleicht Jazzrock. Oder auch einfach Krautrock 2004, der sich Jazz nennt.

Gerd Bauder

Dienstag, 21 Uhr, Fabrik