Ein elitäres Wintermärchen

Eine staatliche Eliteuni in Berlin? Der Regierende Klaus Wowereit findet’s toll, sein Wissenschaftssenator nicht. „Leuchttürme“ allein lösen keine Bildungsdefizite, so Flierl

Der Regierende kriegte sich angesichts der Pläne seiner Bundesgenossen und der möglichen Konsequenzen für Berlin vor Begeisterung kaum ein. Dies sei „ein großes Kompliment und eine Anerkennung für die Leistungsfähigkeit der Berliner Wissenschaftslandschaft“, kommentierte Klaus Wowereit die Diskussion über die Humboldt-Universität (HU) als mögliche Elitehochschule. Lob für eine Wissenschaftslandschaft also, der sein eigener rot-roter Senat Kürzungen von 75 Millionen Euro zwischen 2006 und 2009 an den drei großen Unis verordnet hat.

Wowereit betonte weiter die Notwendigkeit von Elitenförderung und warnte vor übertriebener Angst vor einer Wettbewerbssituation der Hochschulen untereinander. Der zuständige Senator für Wissenschaft hingegen, Thomas Flierl (PDS), sieht die Idee, die HU zur Eliteuniversität zu machen, skeptisch: Eine drastische Reduzierung der Studentenzahl und die Einführung von Studiengebühren wären für ihn nicht akzeptabel, so Flierl. Berlin brauche nicht weniger, sondern mehr Studienplätze.

Grundsätzlich begrüßte Flierl aber die entbrannte bildungspolitische Debatte. Doch müsse die verbesserte Förderung bereits viel früher, in Kitas und Schulen, ansetzen. Es wäre falsch zu glauben, dass sich die bestehenden Bildungsdefizite allein mit „universitären Leuchttürmen“ lösen ließen, so Flierl weiter.

Der wissenschaftspolitische Sprecher seiner Partei klingt schärfer. Benjamin Hoff, PDS-Abgeordneter, geißelte „die immer wieder auftauchende Neigung der Humboldt-Universität, sich von dem Massenimage zu verabschieden und sich zur Elitenuniversität hochzustilisieren“. Hoffs Traum: Die Qualität der deutschen Hochschulen sollte darin bestehen, gegen die Ivy-League-Unis, also Eliteschmieden wie Harvard, bestehen zu können, obwohl sie Massenuniversitäten seien.

Vor einer Amerikanisierung des deutschen Hochschulsystems warnte Bert Flemming, bei der SPD für Hochschule zuständig. Es dürfe nicht dazu kommen, dass Universitäten sich ihre Lehrenden und Studierende sich ihre Bildung teuer einkaufen. Für ein „sehr gutes Modell“ hält er Institute wie das Benjamin-Franklin-Kolleg der Freien Universität, in dem Hochbegabte eines Jahrganges speziell gefördert werden. „Hier entscheidet ausschließlich die Leistung über die Aufnahme. Von solchen Modellen brauchen wir viel mehr in Deutschland“, so Flemming.

Erwartbar, dass sich die Berliner FDP gut Eliteunis vorstellen kann: „Als Zielvorstellung durchaus vernünftig“, so das Fazit von Wissenschaftsexperte Erik Schmidt. Von der geplanten Umsetzung hält er allerdings „sehr, sehr wenig“. Zunächst müsse das Hochschulrahmengesetz entschlackt und so den Unis die Möglichkeit zu mehr Autonomie gegeben werden. MAREN BEKKER