Studenten besuchen Partei der Elite

Vollversammlungen von FU und TU beschließen mit großer Mehrheit, Unistreik fortzusetzen. Polizeigewerkschaft erklärt sich solidarisch. Anschließend besetzen rund 100 Studenten die SPD-Bundeszentrale in Kreuzberg. Polizei rückt zur Räumung an

VON STEFAN ALBERTI
UND MAREN BEKKER

„Wir alle, die Mitarbeiterinnen der Polizei, sollten diesen Protest solidarisch unterstützen.“ Per offenem Brief, verlesen bei Vollversammlungen der weiter streikenden Freien (FU) und der Technischen Universität (TU), legt der Landeschef der Polizeigewerkschaft GdP, Eberhard Schönberg, seinen Kollegen sogar nahe, mit den Studierenden zu demonstrieren. Die Damen und Herren in Grün, die am Nachmittag vor der SPD-Bundeszentrale in Kreuzberg aufzogen, schienen dazu nicht bereit. Teilweise gewaltsam gingen sie gegen Studierende vor, die das Gebäude besetzten.

Die TU-Vollversammlung löste sich schon auf, als ein Redner fast nebenbei dazu aufrief, bei den Sozialdemokraten vorbeizuschauen. Die hätten sich gerade für Eliteunis ausgesprochen – für die Streikaktivisten ein Reizwort. Währenddessen besetzten bereits Studierende den 5. Stock der Parteizentrale an der Stresemannstraße. Die Besetzer drängten laut SPD nach einem länger vereinbarten Treffen mit Juso-Chef Niels Annen hinein. Beteiligt waren auch Rollstuhlfahrer, für die die Protestler einen integrativen Ansatz forderten.

Als die Studierenden die SPD erreichten, hing von der Spitze des tortenstückartigen Gebäudes unter der roten SPD-Fahne bereits ein dunkles Banner mit „Besetzt“-Schriftzug. Eine Handvoll Studierende war schon auf dem Dach zu sehen, weitere hatten den Balkon in der ersten Etage besetzt und begrüßten per Megaphon schätzungsweise 300 ankommende Kommilitonen

Zu gewaltsamen Rangeleien kam es, als wenig später Studierende eine Leiter an den Balkon lehnten und hochstiegen. Studierende wurden von heranstürzenden Polizisten weggerissen, mindestens zwei gingen dabei zu Boden. Alles weitere hänge von einer Strafanzeige der SPD ab, sagte ein Polizeioberer der taz. Aus der Parteizentrale gab die Pressestelle wenig später durch: „Wir lassen jetzt räumen.“ Zu Redaktionsschluss um 19 Uhr wurden erste Besetzer herausgetragen. Sie berichteten, sie seien weitgehend korrekt behandelt worden. Der Balkon blieb besetzt.Von der Polizei hieß es dazu: „Solange noch Studenten hier sind, bleiben wir auch hier.“

Die SPD hatte ein internes Gespräch mit dem Parteigeschäftsführer angeboten – SPD-Chef und Kanzler Gerhard Schröder und Generalsekretär Olaf Scholz waren in der Zentrale. Die Studierenden lehnten ein Gespräch im Haus ab, weil sie öffentlich diskurieren wollten. Die Parteizentrale war bereits im Dezember besetzt.

Stunden zuvor hatte unter 1600 Teilnehmern der TU-Vollversammlung eine deutliche Mehrheit den seit über zwei Monaten währenden Streik verlängert. Ein knapp vier Meter langes Stoffbanner im Foyer des TU-Hauptgebäudes hatte die Studierenden zur Vollversammlung an ihre Vorreiterrolle erinnert: Nur die Goethe-Universität in Frankfurt/Main streikte bereits, als die TU am 5. November begann – 23 andere Hochschulen folgten.

Auch an der FU stimmte eine sehr große Mehrheit – laut Versammlungsleitung mehr als 95 Prozent von über 2000 Teilnehmern – dafür, den Streik fortzusetzen. Die Humboldt-Universität hingegen hatte sich am Montag dafür ausgesprochen, den Streik zu beenden, und stattdessen Protesttage beschlossen.

Ob an der TU wesentliche Gebäude weiter besetzt werden, soll sich in den nächsten Tagen zeigen. Einen Beschluss gab es dazu nicht. TU-Präsident Kurt Kutzler hatte Studierenden tags zuvor gesagt, er werde die Besetzungen nicht weiter tolerieren.