DIETER BAUMANN über LAUFEN
: „Der Dieter hat einen eigenwilligen Stil“

Nach 20 Jahren feiert Dieter Baumann ein großes Comeback – auf der Skipiste. Das heißt: Ganz so groß ist es nicht

Die ersten Schwünge im Schnee waren unsicher. Es war mehr ein Über-die-Piste-Holpern. Aus meiner Jugend hatte ich das ganz anders in Erinnerung. Heldenhaft sah ich mich als jungen Kerl jede Buckelpiste hinunterjagen. Nun also, nach zwanzig Jahren, feierte ich mein Comeback. Bis es soweit kam, war die Vorfreude allerdings auf eine harte Probe gestellt worden. Ganz Deutschland fuhr offensichtlich morgens um fünf in die Alpen.

Es war genauso, wie bei meinem letzten Skiausflug. Nichts hatte sich geändert. Als wir nach sechs Stunden endlich vor der Talstation standen – für diese Wegstreckte braucht man normaler Weise nur die Hälfte der Zeit –, wurde eine andere Erinnerung wieder wach. Alle aus dem Stau im Pfänder-Tunnel hatten sich offensichtlich für unser Skigebiet entschieden. Wir standen dann noch mal eineinhalb Stunden in der Schlange.

Aber auf dem Gipfel wartete das Glück. Diese Empfindung hat über alle Zeit seine Berechtigung, am Berg war es einfach nur noch großartig. Nach wenigen Stunden auf den Brettern, hatte ich die ganzen Strapazen des Wartens in Staus und Menschenschlangen vergessen.

Wie gesagt, mein Gefühl sagte mir: „Sieht etwas holprig aus.“

Ein begleitenden Skiprofi fasste es treffender zusammen: „Den Dieter können wir leicht auf der Piste erkennen, er hat einen ganz eigenwilligen Stil.“ Vor zwanzig Jahren war das gleichbedeutend mit: „Du solltest einmal einen ordentlichen Skikurs besuchen.“ Heute ist das sicher anders, er sagte es wohl ohne böse Hintergedanken.

Die Gruppe, die ich begleiten durfte, machte sich jedenfalls große Sorgen um mich. Skifahren? Kann der das? Und vor allem: Wo will der bloß hier oben am Berg laufen? Nun, das war zunächst meine geringste Sorge, laufen kann man schließlich überall. Viel mehr zu schaffen machten mir Erfahrungen ganz anderer Art. Geradeaus laufen ist eine Sache, aber ständig in der tiefen Hocke Schneelandschaften bezwingen eine andere.

Schon nach dem ersten Tag bahnte sich ein mir völlig neues Gefühl an: Muskelkater. Zunächst waren die Beine etwas müde. Zu Recht, wie ich meine, nach meinen wahren Husarenritten auf Skiern.

Ich hatte ja keine Ahnung gehabt, welche Vergangenheit die Skitruppe hatte, die mich begleitete. Es waren ehemalige Rennskifahrer, Bergfexe, Profis allenthalben. Eine wahre Pracht, ihnen zuzuschauen. In atemberaubenden Tempo jagen die Mädels und Jungs den Hang hinunter, immer elegant, die Ski, den Berg und den Schnee beherrschend. Die Bestzeit von der Bergstation bis runter betrug acht Minuten. In dieser Zeit schaffte ich es nicht einmal bis zur Mittelstation.

Bei diesem Hochleistungstraining war es geradezu unvermeidlich, dass ich außer Puste kam. Auch der Muskelkater war programmiert.

„Mir tut auch schon alles weh“, versuchte mich eine Begleiterin zu trösten, um mich sogleich an meine Unfitness zu erinnern, „aber morgen ist das bei mir wieder gut.“ Trotz der viel beschriebenen Vorteile einer guten Kondition – wir Läufer erholen uns viel schneller als Nichtläufer – ahnte ich: Das stimmt nicht für jeden. Am zweiten Tag war dann auch gar nichts gut. Der Tag brachte noch mehr Skifahren. Und am Abend war die sorgenvolle Frage nach den Laufwegen für mich vollkommen überflüssig. Der leichte, erholsame Dauerlauf war ersatzlos gestrichen. Ich entschied mich für einen langen Binokel-Abend.

Das war leicht, aber richtig erholsam war es nicht. Am Morgen des dritten Tages hatte ich Mühe, in meine Skischuhe zu kommen. Die entscheidende Frage dieses Tages war: Wie nur konnte ich, ohne in die Hocke zu gehen, einen Schwung machen?

Am Abend versuchte es einer meiner Begleiter mit einem tröstlichen Vergleich: „Wären wir im Dezember beim Nikolauslauf mit dir mitgelaufen, hätten wir danach auch Muskelkater bekommen.“ Danke, das tut gut. Und stimmt. Bei ungewöhnlichen Bewegungen folgt nun einmal ein fürchterlicher Muskelkater. Wenigstens daran hat sich in den vergangenen zwanzig Jahren nichts geändert.

Fragen zu Laufen? kolumne@taz.de Morgen: Philipp Maußhardt über KLATSCH