„Vergesst den Hasi nicht“

Sebastian Haseney aus Zella-Mehlis ist in dieser Saison zu einem der weltbesten Nordischen Kombinierer aufgestiegen, und das, obwohl er beim Springen nach wie vor Reserven hat

AUS MÜNCHEN JOACHIM MÖLTER

In diesen Tagen wird der Nordische Kombinierer Ronny Ackermann aus Oberhof oft gefragt, wen er noch so als Konkurrenten im Kampf um den Gesamt-Weltcup sieht: Die Finnen Hannu Manninen und Samppa Lajunen, den Österreicher Felix Gottwald, den Amerikaner Todd Lodwick? Neulich hat Ackermann nur nach links geschaut, wo sein Teamkollege Sebastian Haseney saß, und gesagt: „Vergesst den Hasi nicht!“.

Der Hasi, wie Haseney genannt wird, hat dazu nur verlegen gelächelt. Offenbar zählt nicht einmal er selbst sich zu den Konkurrenten des übermächtig erscheinenden Ackermann. Dabei hält sich Sebastian Haseney vor den beiden Wettbewerben am Wochenende in Seefeld (Österreich), die quasi die Halbzeit der Weltcup-Saison darstellen, mit 370 Punkten auf dem dritten Platz der Gesamtwertung, hinter Ackermann (662) und Manninen (570), aber vor all den anderen hoch geschätzten Athleten. Selbst Bundestrainer Hermann Weinbuch hatte das nicht erwartet: „Mich hat seine gute Sprungleistung überrascht, vor allem, dass er sie mehrmals bestätigen konnte.“ Auch der für das Springen zuständige Trainer Andi Bauer findet: „Sebastian ist die große Überraschung der bisherigen Saison.“

Die vergangene war ja die schlechteste gewesen, seit Sebastian Haseney im Weltcup startet, was daran lag, dass er sehr unbeständig sprang: Am Ende hatte er nicht einmal halb so viele Punkte wie jetzt schon, im Gesamtklassement fand man ihn auf Platz 23 wieder und er sich deshalb zu Beginn dieser Saison im 1b-Kader. Haseney hat versucht, diese Herabsetzung „so emotionslos wie möglich“ zu sehen: „Es war ja nicht so, dass ich dadurch schlechte Trainingsbedingungen hatte.“ Im Grunde hatte er sogar so gute wie nie zuvor. Bis zum vorigen Winter wurde Haseney beim Bundesgrenzschutz in Bad Endorf zum Polizeimeister ausgebildet, erst im letzten Sommer hatte er genügend Zeit für seinen Sport. Da arbeitete er mit seinem Heimtrainer Siegfried Sturm die Defizite beim Springen auf; er krempelte praktisch seine Technik um und stabilisierte sie so, dass er sie auch unter schwierigen Bedingungen tadellos umsetzen kann. Das hat zwar immer noch keinen Siegspringer aus Haseney gemacht, aber es reicht, um vorne dabei zu sein. „Er hat im Springen noch Reserven“, findet Bundestrainer Weinbuch, „wenn er es schafft, sie abzurufen, ist auch wieder mal ein Sieg drin.“

Einmal hat Haseney, 25, ja schon im Weltcup gewonnen, vor fast genau drei Jahren in Steamboat Springs. In diesem Winter war er bereits zweimal Zweiter, jeweils hinter Ronny Ackermann. Zu verdanken hat Haseney das vor allem seiner Laufstärke. Da gehört er zu den Weltbesten, wie er vor Weihnachten beim Massenstart in Predazzo bewies, als er als Erster aus der Loipe kam; nach dem Springen war er immerhin noch Fünfter. Nur einmal in dieser Weltcup-Saison kam Haseney nicht unter die ersten zehn, das war kurz vor Silvester in Oberhof, quasi dem Heimspiel für den Mann aus dem Nachbarort Zella-Mehlis. Und es war just zu der Zeit, als die ersten Medien schrieben, er befinde sich im Aufwind. Genau der aber fehlte bei seinen Sprüngen im Wettkampf, technisch sauber fiel er zweimal wie ein Stein zu Boden. „Ausgerechnet hier“, sagte er, so emotionslos wie möglich. Selbst in Oberhof sammelte Sebastian Haseney Punkte, und jeder ist ein Erfolgserlebnis.

„Belasten tut’s eher nicht“, sagt er über die zunehmende Beachtung, die er spürt. „Ich bin ja froh, dass ich mich so gut geschlagen habe.“ Gedanken an den Gesamt-Weltcup verschwendet er trotzdem nicht: „Nach dem letzten Jahr ist es für mich wichtig, den Abstand zur Weltspitze zu verringern“, sagt er. Er will seine Technik gut umsetzen, sie weiter stabilisieren und einfach gute Ergebnisse erzielen. „Dann bin ich auf dem richtigen Weg“, glaubt er.

Wohin der führen soll in diesem Winter, in dem es kein großes Ziel gibt wie im nächsten mit der WM in Oberstdorf oder im übernächsten mit Olympia in Turin, weiß Haseney nicht. Sein Trainer sagt, auch solch scheinbar ereignislose Jahre seien wichtig für die Karriere eines Athleten: „Da werden die Weichen für die Zukunft gestellt.“