Für eine Welt ohne Sheriffs

Die blockfreien Staaten verurteilen einen Waffengang der USA und warnen vor ernsten Konsequenzen eines Krieges für alle Staaten der Welt

von SVEN HANSEN

Mit scharfen Worten hat der neue Vorsitzende der Bewegung der Blockfreien, Malaysias Premier Mahathir Mohamad, einen Irakkrieg und westliches Hegemoniestreben verurteilt. „Es ist kein Krieg mehr nur gegen Terrorismus. Es ist ein Krieg, um die Welt zu dominieren“, sagte er gestern zur Eröffnung des 13. Gipfels der Blockfreien in Kuala Lumpur. Für den Terrorismus machte Mahathir den Westen und Israel verantwortlich, da sie „eklatante Doppelstandards“ anwendeten. Dies gebe Muslimen das Gefühl, es gehe nicht um die Bekämpfung des Terrorismus, sondern um eine Bekämpfung von Muslimen.

Gegenüber den Delegierten der 116 blockfreien Staaten hielt Mahathir den Führern der Weltmächte vor: „Keiner Nation darf erlaubt werden, Weltpolizist zu sein.“ Der für seine oft schrille Kritik am Westen bekannte Muslimpolitiker forderte die Blockfreien auf, sich für eine neue Weltordnung einzusetzen. Demokratie dürfe nicht nur innenpolitische Herrschaftsform sein, sondern müsse auch international gelten, forderte Mahathir, der selbst autoritär regiert. Das Töten von Menschen könne keine Probleme zwischen Staaten lösen. Die UNO müsse die Militäretats aller Staaten überwachen und begrenzen. „Als Japan besiegt worden war, durfte es fortan nur ein Prozent des Bruttosozialprodukts für seine Streitkräfte ausgeben“, erinnerte Mahathir. „Wenn diese Bedingung bei Japan durchgesetzt werden kann, warum kann es dann nicht von allen Staaten verlangt werden?“

Auch Süfafrikas Präsident Thabo Mbeki, der zuletzt die Blockfreien geführt hatte, warnte die USA vor einem Irakkrieg. Er forderte aber auch Bagdad auf, mit dem UN-Sicherheitsrat zusammenzuarbeiten. Damit traf Mbeki den Tenor einer Resolution, die von den Außenministern erarbeitet worden war und heute zum Abschluss des Gipfels verabschiedet werden soll. Darin wird vor den ernsten Konsequenzen eines Krieges für alle Staaten gewarnt, Irak aber auch zur „aktiven Einhaltung“ der UN-Resolutionen aufgefordert.

Mit dem ersten Gipfel seit acht Jahren unternimmt Malaysia den Versuch, der Blockfreienbewegung, die nach dem Zusammenbruch des Ostblocks stark an Bedeutung verloren hatte, wieder Leben einzuhauchen. Dem Gipfel voraus ging am Sonntag eine Friedenskundgebung regierungsnaher Organisationen mit 150.000 Teilnehmern in Kuala Lumpur. Auch dort erhob Mahathir Vorwürfe gegen die USA und westliche Länder.

Die Blockfreien waren aus der asiatisch-afrikanischen Solidaritätskonferenz von 1955 in Bandung hervorgegangen und 1961 in Belgrad gegründet worden. Sie verstehen sich traditionell als Emanzipationsbewegung vom Kolonialismus befreiter Länder in Asien, Afrika und Lateinamerika, die sich im Kalten Krieg nicht der Blockkonfrontation unterordnen wollten und für eine gerechte Weltwirtschaftsordnung eintreten. Allerdings erwiesen sie sich als zahnlos, da prosowjetische und proamerikanische Mitglieder oft die Suche nach gemeinsamen Positionen blockierten. Zuletzt versuchte die Bewegung, ein Sprachrohr der Entwicklungsländer zu werden. In Kuala Lumpur sind über 50 Staats- und Regierungschefs vertreten.

Zu den Mitgliedern gehören mit Angola, Chile, Guinea, Kamerun, Pakistan und Syrien sechs nichtständige Mitglieder des Sicherheitsrates. Sie legten sich jedoch bisher nicht fest, wie sie über eine neue Irakresolution abstimmen, für die 9 der 15 Stimmen des Sicherheitsrats benötigt werden. Vertreter der sechs blockfreien Sicherheitsratsmitglieder gaben in Kuala Lumpur nicht zu erkennen, wie ihre Länder abstimmen werden. Sie verwiesen vielmehr auf den nächsten Bericht der UN-Inspektoren.

Zu den Blockfreien zählt auch die gesamte von George W. Bush so getaufte „Achse des Bösen“, also Irak, Nordkorea und Iran. Irans Präsident Mohammed Chatami warf den USA „fanatischen Fundamentalismus“ vor, weil sie sich das Recht zur Gewalt herausnähmen. Auch der Atomkonflikt mit Nordkorea ist Thema des Gipfels. Die Vertreter Pjöngjangs konnten verhindern, dass Nordkorea im Resolutionsentwurf zur Rückkehr in den Atomwaffensperrvertrag aufgefordert wird. Sie konnten sich aber nicht damit durchsetzen, dass Nordkorea ein Recht auf Selbstverteidigung mit Atomwaffen zugesprochen wird. Einen Kompromiss gab es auch zu Israel und Palästina. Während Israel für „systematische Menschenrechtsverletzungen und angebliche Kriegsverbrechen verurteilt“ wird, konnten sich die Palästinenser nicht mit ihrer Forderung nach Sanktionen durchsetzen.