Der Deal: Schnitte im Kassenkatalog

Es gilt längst als abgemacht: Die Arbeitgeber kriegen ihre Privatisierung, die Gewerkschaften die Steuerfinanzierung

Auf das Thema Zähne springen alle an. Es ist so schön einfach: Zahnversicherung privatisieren! Macht die Schweiz doch auch. Zwar weiß jeder, dass sich durch Zahnpflege Schlimmes im Mund verhindern lässt. Aber Zähne können auch ohne Schuld der Besitzer der Behandlung bedürfen. Nur kümmert das derzeit niemanden. Denn entscheidend ist, dass es den geringsten organisatorischen Aufwand bedeutet, Zahnweh aus der gesetzlichen Krankenversicherung hinauszuwerfen, ob ganz oder in Teilen – etwa den Zahnersatz oder die Zahnspange.

Streichungen im Leistungskatalog der Kassen sind genau das, worauf es bei der Finanzierungsreform hinauszulaufen scheint. Während Rürup, Busse und Co noch im Auftrag der Regierung diskutieren, hat dieselbe Regierung schon zu verhandeln begonnen: Wie viel Steuerfinanzierung kriegen die Gewerkschaften, wie viel Privatisierung die Arbeitgeber? Kriterium für die Streichung ist dabei – wie bei den Zähnen – die Abgrenzbarkeit vom großen medizinisch komplizierten Rest des Katalogs.

Nicht zufällig ähnelte das Plädoyer des Sachverständigenrats im Gesundheitswesen gestern einer sehr gut denkbaren Linie von Rot-Grün. Demnach könnten Freizeitunfälle ausgegliedert und künftig obligatorisch privat versichert werden. Hierzu haben die Privatversicherungen längst ausgerechnet: Das müsste mit rund 20 Euro pro Kopf zu machen sein. Ebenfalls ausgegliedert, aber steuerfinanziert würden nach den Vorstellungen des Rats die familienpolitischen Leistungen: Mutterschutz, künstliche Befruchtung, Antibabypille und so weiter.

Das Thema Zähne ist dabei noch ungeklärt. Denn die Opposition hat es übernommen, sich mit der Forderung nach einer kompletten Privatisierung der Zahnbehandlung bei den Versicherten in Verruf zu bringen. So kann die SPD die Zähne zur Verhandlungsmasse machen. Denn es wird keine Gesundheitsreform geben, der die Union nicht ihren Stempel aufgedrückt hat – spätestens im Vermittlungsausschuss, wenn sie ihre Übermacht im Bundesrat ausgespielt hat. Am Ende des Streits um die Finanzreform stünde dann nichts anderes als das: ein eingedampfter Kassenkatalog. UWI