Es wird eng für die Patienten

Alle reden von Gesundheitsreform: Kommissionen, Räte, Gesundheitsministerium und Kanzleramt brüten drüber. Wo liegt das Problem?

von ULRIKE WINKELMANN

Es wird mit großen Zahlen gehandelt. Bis zu 40 Milliarden Euro könnten in der gesetzlichen Krankenversicherung eingespart werden, behauptete der Sachverständigenrat im Gesundheitswesen gestern bei der Vorlage seines Gutachtens „Finanzierung, Nutzerorientierung und Qualität“. Wenn diese Summe aus dem Gesamttopf von rund 140 Milliarden Euro jährlich genommen würde, „könnten die Krankenkassenbeiträge sogar auf 10,4 Prozent sinken“, erklärte Sachverständigenratschef Eberhard Wille.

Ganz abgesehen von den Maßnahmen, die das Expertenkomitee vorschlug, um solchen Traumzahlen nahe zu kommen – Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD), die das dicke Werk in Empfang nahm, sagte: „Ich freue mich besonders, dass ein Systemwechsel nicht erforderlich ist.“ Denn in der gegenwärtigen Reformdebatte steht genau das zur Disposition: die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung über lohnbezogene, je hälftige Beiträge von Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Schmidt wollte diese immer erhalten.

Der Sachverständigenrat befand nun: Es gibt kein Problem mit dem Finanzierungssystem als solchem, sondern mit seinem Wachstum. Die Kurzformel dafür lautet: Die Lohnquote sinkt. Der Anteil der Arbeitslöhne am insgesamt verdienten Geld geht zurück. Immer weniger abhängig Beschäftigte müssen also immer höhere Beiträge an die gesetzliche Krankenversicherung zahlen, derweil der Staat seine Beiträge für Arbeitslose und Rentner ebenfalls nach Belieben kürzt. Deshalb spricht man im Gesundheitsreformjargon von „bröckelnder Einnahmebasis“.

Das heißt: Es gibt keine Kostenexplosion im Gesundheitswesen. Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung steigen zwar an, ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt hat sich in den vergangenen Jahrzehnten jedoch kaum erhöht – und dies trotz alternder Bevölkerung und immer aufwändigerer medizinischer Möglichkeiten. Was tatsächlich gestiegen ist, sind die Beitragssätze der Krankenkassen: von 8,2 Prozent des Bruttolohns im Jahr 1970 auf durchschnittlich 14,3 Prozent. Und sie drohen weiter zu steigen.

Nun ist das Problem nicht neu – neu ist jedoch die Absicht der Bundesregierung, die Lohnnebenkosten über die Kassenbeiträge unter 40 Prozent zu senken – koste es, was es wolle. Mit diesem Auftrag wurde im vergangenen Jahr die Rürup-Kommission zur Sanierung der Sozialsysteme eingesetzt, die bis Mai an Plänen zur Kassensanierung arbeiten soll. Dass ihr Votum nun überhaupt noch zählt, ist seit gestern zumindest zweifelhaft – ohnehin ließ ihre Besetzung Gewerkschafts- wie Industrievorstände nicht vermuten, dass sie einen einheitlichen Plan vorlegen würde.