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: Feindschaften auf dem Prüfstand

Joseph Blatters Maßnahmen greifen: Es geht viel gesitteter zu und ein Torrekord bahnt sich an

Was haben wir gelacht über Joseph Blatter, den wundersamen Fifa-Präsidenten, der zeitweise alle 14 Tage mit einer Regeländerungsidee aufwartete. Aber nun ist es wirklich an der Zeit, Abbitte zu leisten: Er hat seine wichtigsten Visionen verwirklicht – oder ist auf dem besten Weg dorthin.

Vision Nr. 1 war die Verwandlung der Stadien in Opernhäuser. Dass die Bundesliga hier auf einem guten Weg ist, zeigte die Saisoneröffnungsfeier mit dem Arienträllerer Paul Potts. Das Fernziel für 2015 lautet: Nach einem Tor applaudieren die Zuschauer höflich (und natürlich im Sitzen), während der Torschütze gemessenen Schritts vor die Logen tritt und sich verbeugt.

Keine leichte Aufgabe – schließlich ist Fußball ein körperbetontes, mit Aggression und Adrenalin aufgeladenes Kampfspiel, das Emotionen bei allen Akteuren und Zuschauern provoziert, die man nur unter Inkaufnahme von Herz-Kreislauf-Erkrankungen unterdrücken kann.

Aber es wurde ja bereits eine Menge erreicht: Das Trikotausziehverbot, das Übertönen der Fangesänge mit offiziell gewünschter Musikbeschallung und die Abschaffung der Stehplätze haben den Fußball schon eng ins Korsett der bürgerlichen Wohlanständigkeit gezwängt. Und in manchem ist der Plan sogar bereits übererfüllt: Die gestenreiche Bewegungsfreiheit, die ein Operndirigent hat, würde der vierte Offizielle einem Trainer heutzutage niemals mehr zugestehen.

Blatters zweite Vision lautete: mehr Tore. Und man muss zugeben: Seine spektakulären Maßnahmen – Vergrößerung der Tore und Beschränkung der Torwartgröße auf 1,70 Meter – waren zwar immens teuer und umstritten, aber sie haben gegriffen.

Am Samstag um 16.48 Uhr waren exakt achteinhalb Spieltage, also ein Viertel der Saison vorüber. Zu diesem Zeitpunkt zählten die Statistiker bereits 241 Tore. Das wären bei Saisonschluss 964 und damit so viele wie seit 1986/87 nicht mehr. Anders ausgedrückt: In dieser Saison fallen erstmals seit 1987/88 mehr als drei Tore pro Spiel.

Er ist also ein Guter, der Blatter. Manchmal müssen alte Feindschaften eben auf den Prüfstand. Leverkusen ein Haufen zusammengekaufter Konzernfußballer? Nein, eine Mannschaft, die geilen Fußball spielt. Dietmar Hopp ein deutscher Abramowitsch? Nein, ein intelligentes und herrlich offensives Konzept mit unbekannten und anderswo unterschätzten Spielern. Und selbst die Schadenfreude über Bayern-Pleiten schmeckt schal, seitdem klar ist: Was Klinsmann will, ist für das Hirn eines (Sport-)Bild-Redakteurs viel zu komplex. Es macht keinen Spaß, gegen Bayern zu sein, wenn man sich dadurch mit der Bild-Bande gemeinmacht. Deshalb: Bravo, Klinsmann, für das 4:2 gegen Magaths zusammengekaufte Konzernfußballer! OLIVER DOMZALSKI