Parmalat-Finanzchef packt aus

Fausto Tonna rekonstruiert für Staatsanwälte fiktive Geldflüsse des Milchkonzerns

ROM taz ■ Fausto Tonna, jahrzehntelang Finanzchef des zusammengebrochenen Milchkonzerns Parmalat, ist ein vielseitiger Mensch. So schroff der seit Silvester Inhaftierte die Journalisten anging („Ich wünsche euch und euren Familien einen langsamen und schmerzhaften Tod“), so freundlich antwortete er jetzt den Staatsanwälten. „Tonna zeigt sich kooperativ“, erklärte Staatsanwältin Antonella Ioffredi am Dienstagabend, „er bemüht sich um Aufklärung der Situation und liefert sehr nützliche Auskünfte.“

Fausto Tonna gilt als der eigentliche Architekt des Schwindelimperiums der Parmalat-Tochtergesellschaften, in dem mindestens 10 Milliarden Euro verschwunden sind. Er begann jetzt nicht nur mit der Rekonstruktion der realen und fiktiven Geld- und Kreditflüsse im Konzern, die – so hoffen die Ermittler – zur Auffindung noch vorhandener Parmalat-Gelder führen soll. Tonna sprach offenbar auch von Schmiergeldern an Politiker – was die Staatsanwaltschaft allerdings „nicht bestätigen“ wollte.

Zudem belastet Tonna auch die Banken schwer. Sie hätten tiefe Einsichten in das merkwürdige Geschäftsgebaren von Parmalat gehabt – zum Beispiel wenn Kredite zwischen den Tochtergesellschaften hin- und hergeschoben wurden –, seien aber allein an ihren Vermittlungsgebühren und Zinsen interessiert gewesen. Außerdem stehen sie im Verdacht, Parmalat-Anleihen auch dann verkauft zu haben, als sie bereits von der kritischen Situation des Konzerns wussten. Die Staatsanwaltschaften Parma und Mailand wollen jetzt neben den großen italienischen Banken auch die Rolle der Kreditinstitute Bank of America, Citigroup, JP Morgan, ABN, Banco Santander und der Deutschen Bank durchleuchten.

Wie die Financial Times berichtet, wollte Parmalat sich in Nicaragua sogar gleich selbst eine Bank zulegen. Der Milchkonzern ist hier stark vertreten; über die dortige Tochtergesellschaft wurde nicht nur der mittelamerikanische Markt versorgt, sondern auch der frei erfundene angebliche Export von Milchpulver im Wert von 620 Millionen Dollar nach Kuba abgewickelt. Parmalat-Manager sollen vor drei Jahren Interesse am Kauf der Banco Nicaraguense de Industria y Comercio (Banic) geäußert haben, ausgerechnet jener Bank, die kurz darauf als Geldwaschanlage ins Gerede kam. In Folge des Banic-Skandals landete der ehemalige Staatspräsident Nicaraguas, Arnoldo Alemán, 2002 im Gefängnis.

Über die Motive der Milchfirma, den Einstieg ins Bankgeschäft zu planen, lässt sich nur spekulieren. Sicher aber ist, dass sich das Institut hervorragend in das Netzwerk der weiteren Parmalat-Schwindelfirmen gefügt hätte. MICHAEL BRAUN