Die Betriebsrente ist nicht mehr sicher

Der Versicherungskonzern Gerling kürzt die Betriebsrenten um bis zu 50 Prozent. Auch Siemens will die Kosten reduzieren. Commerzbank steigt gleich komplett aus. Währenddessen lobt Sozialministerin Schmidt die Firmenrente als Zukunftsmodell

AUS FRANKFURT AM MAIN KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Nach den gesetzlichen Renten sind jetzt auch die Betriebsrenten nicht mehr sicher. Während die Commerzbank keine neuen Verträge mehr abschließen will, wird der Versicherungskonzern Gerling die Altersversorgung seiner Angestellten drastisch kürzen. Gestern bestätigte das Unternehmen, die Renten um 30 bis 50 Prozent zu senken. Davon betroffen sind Gerling-Beschäftigte, die vor 1998 in das Unternehmen eintraten und noch nicht 60 Jahre alt sind – 5.000 der insgesamt 7.500 Angestellten des Konzerns.

Für Angestellte, die nach dem Stichtag 31. Dezember 1997 bei Gerling angefangen haben, gilt die Kürzung schon immer. Wie damals hat der Betriebsrat auch der neuen Absenkung zugestimmt. In der Betriebsvereinbarung zwischen Vorstand und Betriebsrat steht, dass die Renten, die bereits ausgezahlt werden, nicht betroffen sind.

In der Kölner Gerling-Zentrale wurde die Nachricht gestern mit Ärger aufgenommen. Viele Beschäftigte sind von der Konzernleitung und auch vom Betriebsrat enttäuscht. „Die Stimmung in den Abteilungen ist mies“, berichtet eine Mitarbeiterin. Gerling begründet die Betriebsrentenkürzung mit der außerordentlichen Belastung der Konzernbilanz durch die Rückstellungen für die aktuellen und die zukünftigen Pensionen. Ende 2002 hätten die sich auf 668 Millionen Euro summiert, rechnet Konzernchef Björn Jansli vor – knapp ein Drittel der Bilanzsumme von 1,9 Milliarden Euro.

Die Commerzbank in Frankfurt/Main hatte am Montagabend verkündet, dass ab Jahresende keine neuen Verträge über Betriebsrenten mehr abgeschlossen würden. Die laufenden Verträge werden auf dem jetzigen Stand eingefroren.

All das läuft der politischen Absicht der Bundesregierung zuwider. Die baut auf die Betriebsrenten als drittes Bein der Altersvorsorge neben dem Sozialversicherungssystem und der privatisierten Rente. „Es gibt eine Renaissance der betrieblichen Altersvorsorge“, sagte gestern Bundessozialministerin Ulla Schmidt. Aktuell würden rund 57 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in eine Firmenrente einzahlen. Das Loblied der Bundesregierung hat Tradition: „Nach der Rentenreform der Bundesregierung sind die Betriebsrenten sicher. Eine Entwicklung wie in den USA ist in Deutschland nicht zu befürchten“, hieß es in einer Presseerklärung des Arbeitsministeriums schon Mitte 2002. In den Staaten waren da gerade – nach Kurseinbrüchen an den Aktienmärkten – auch große Unternehmen zusammengebrochen, deren Vorstände zuvor schon die Pensionskassen „verzockt“ hatten.

Rollt jetzt eine Welle von Betriebsrentenkürzungen oder gar Vertragskündigungen durch die Republik und verunsichert die durch die andauernden Debatten um die Zukunft der Rente generell schon arg gestresste Bevölkerung noch mehr? Schließlich wurde gestern auch bekannt, dass auch die Siemens AG daran arbeitet, bei ihren Betriebsrenten die Risiken der Zinsentwicklung und des demografischen Faktors zu minimieren.

Bei der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di glaubt man daran nicht. Und auch beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) will man die „Einzelfälle“ nicht generalisieren. Die Hürden für die Aufkündigung von Verträgen zur betrieblichen Altersversorgung seien schließlich „sehr hoch“, sagt Martina Perreng, beim DGB zuständig für den Themenkomplex betriebliche Altersversorgung. Ein Unternehmen müsse eine wirtschaftliche Schieflage, mit der alleine eine Vertragskündigung gerechtfertigt werden könne, schließlich akribisch nachweisen.