Medaillensegen bei den Darbenden

Die Teams der Langläufer und Kombinierer profitieren von guter Nachwuchsarbeit und überzeugen bei den nordischen Ski-Weltmeisterschaften, während ausgerechnet die vom „Hanni-und-Martin-Boom“ verwöhnten Skispringer in die Kritik geraten

„Deutschland hat sich im nordischen Skisport glänzend entwickelt“

aus Val di FiemmeKATHRIN ZEILMANN

Bei der gestrigen Langlaufstaffel der Männer über 4 x 10 km standen an der Strecke auch die Athleten, die nicht zum deutschen Team gehörten. Auf ihre Wangen hatten sie Deutschlandfahnen gemalt, sie feuerten ihre Kollegen lautstark an, hielten Ersatzstöcke bereit und motivierten die Athleten in der Loipe. „Das ist echter Teamgeist“, sagt Kombinierer-Trainer Hermann Weinbuch. Silber hinter Norwegen gab es am Ende (siehe Portrait Seite 13), die Frauen hatten am Montag gar Gold in der Staffel geholt, die Mannschaft der nordischen Kombinierer konnte sich mit Silber schmücken. An der Schanze und an der Laufstrecke standen auch da Trainer, Betreuer und jene Starter, die nicht zum Aufgebot gehörten. Es waren schöne Wettbewerbe im spätwinterlichen Sonnenlicht.

Wie anders war es doch im Glanze des Flutlichts an den Schanzen von Predazzo: Das deutsche Skispringerteam nahm fast mürrisch zur Kenntnis, dass alle Chancen auf eine Medaille von der Großschanze verpasst worden waren. Im Einzelwettbewerb war sogar Vorzeigespringer Sven Hannawald lediglich Siebter geworden. Nur Platz vier dann im Teamwettbewerb, kein Edelmetall für Deutschland, das bei den beiden vergangenen Weltmeisterschaften und bei den Olympischen Spielen im Vorjahr Gold gewonnen hatte. Die Beteiligten akzeptierten den vierten Rang mit Gelassenheit, als wäre es Schicksal, die Mienen verrieten, dass man sogar ein wenig beleidigt war. Einzig Michael Uhrmann ließ seiner Enttäuschung freien Lauf. „Ich habe meine Leistung gebracht. Eigentlich hatte ich schon gehofft, dass wir den Titel verteidigen können“, sagte er. Und Georg Späth, der gemessen an seinen Leistungen im Weltcup hervorragende Sprünge zu Tal brachte, meinte: „Es wäre meine erste Medaille bei einem Großereignis gewesen. Schade.“ Christof Duffner und Maximilian Mechler, die von Bundestrainer Reinhard Heß nicht für die Mannschaftsentscheidung nominiert worden waren, sah man übrigens weder jubelnd noch anfeuernd noch motivierend.

Und irgendwie hatte der Betrachter auch das Gefühl, dass Mannschaftsgeist unter den Vieren fehlte, die starten durften. Ist die Skisprung-Truppe, wie schon oft gemutmaßt, nun tatsächlich auseinander gefallen? Ist das Gefälle zwischen den Werbemillionären Schmitt und Hannawald und den restlichen Teammitgliedern schon so groß, dass es bei Mannschaftsspringen am Glauben an die gemeinsame Sache fehlt? Bedeutet am Ende den beiden Stars der Szene so eine Mannschaftsmedaille nicht mehr gar so viel, wollen sie nur noch Einzeltitel, Einzelprämien, Einzelerfolge?

Wenn man davon ausgeht, dass die Normalschanze, auf der am Freitag noch einmal gesprungen wird, nicht zu der von den Deutschen favorisierten Anlage gehört, werden die Skispringer vermutlich erstmals seit langem von einer WM ohne Plaketten um den Hals abreisen, nachdem der Deutsche Skiverband (DSV) lange Jahre bei nordischen Großereignissen vor allem Medaillen der Springer erwarten konnte. Das hat sich gewandelt. „Unsere Langläufer und Kombinierer sind fest in der Weltspitze etabliert. Deutschland hat sich im nordischen Skisport glänzend entwickelt“, sagt Norbert Baier, Sportdirektor der Langläufer. In Sachen Ursachenforschung verweisen Langlauf-Trainer Jochen Behle und sein Kombinierer-Kollege Weinbuch gerne auf die Nachwuchsarbeit in den beiden lange Zeit darbenden Disziplinen. „Wir ernten heute die Früchte der kontinuierlichen Aufbauarbeit im Nachwuchsbereich“, referiert Behle, wenn er nach den Gründen für den Aufschwung befragt wird.

Junge deutsche Langläufer und Kombinierer haben ihre Klasse auch in diesem Jahr bei der Junioren-WM beweisen können. Björn Kircheisen, mittlerweile auch schon im Weltcup etabliert und Mitglied im mit Silber dekorierten Kombinierer-Team, gewann drei Goldmedaillen. Ebenso feierte Langläuferin Nicole Fessel einen Junioren-WM-Titel. Bleiben noch die Skispringer. Im Teamspringen wurden sie Elfte bei 15 teilnehmenden Mannschaften. Schon stimmt DSV-Sportdirektor Thomas Pfüller das bereits bei der alpinen Ski-WM gern gesungene Lied von der verbesserungswürdigen Nachwuchsarbeit an.

Das verwundert, immerhin hieß es seit dem „Hanni-und-Martin-Skisprung-Boom“ in deutschen Landen, dass sich Skiclubs mit passablen Schanzen im Ort vor dem Andrang interessierter Kinder kaum retten könnten. Der DSV würde diese Popularität nicht nutzen, meldet sich Skisprung-Legende Jens Weißflog zu Wort. Skispringen sei bloß noch eine TV-Sportart, Geld fließe nur in die Spitze. Reinhard Heß ärgert sich: „Ich stehe zu unserer Nachwuchsarbeit. Warum ist jetzt alles schlecht, was lange Jahre gut war?“ Bis Olympia 2006 wolle er weitermachen, hat er gesagt. Eine medaillenlose WM werde ihn nicht zur Aufgabe zwingen. Beginnen kann er jetzt mit der Suche nach dem Teamgeist.