Zelle in der „Hamburger Zelle“

11-9: Bundesanwaltschaft beharrt auf Verurteilung von Abdelghani Mzoudi zu 15 Jahren Haft und greift das Oberlandesgericht scharf an. Richter seien „auf dem Holzweg“

Im zweiten „Terrorhelfer“-Prozess gegen Abdelghani Mzoudi (31) vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht (OLG) lässt sich die Bundesanwaltschaft (BAW) auf ihrem Weg der Verurteilung nicht beirren. „Es gibt genügend Indizien, die eine subjektive Tatbeteiligung belegen“, sagte gestern Bundesanwalt Walter Hemberger. Im Plädoyer attackierte er den Staatschutzsenat unter Vorsitz von Klaus Rühle in ungewöhnlich scharfer Form: „Das Gericht ist auf dem Holzweg“, indem es „in Spekulationen verfallen ist und die Beweisaufnahme vom Fuß auf den Kopf gestellt hat.“ Die BAW erklärte Mzoudi der Beihilfe zum Mord in über 3.000 Fällen für schuldig und fordert 15 Jahre Haft.

Kernpunkt des Dissenses ist die Bewertung des Behördenzeugnisses des Bundeskriminalamts (BKA), das am 11. Dezember zur überraschenden Freilassung Mzoudis geführt hatte. Darin werden Angaben des Hamburger Drahtziehers Ramzi Binalshibh aus US-Vernehmungen wiedergegeben, denen zufolge nur er und die drei Todespiloten Mohammed Atta, Marwan El Shehhi und Ziad Jarrah zur „Hamburger Zelle“ gehört haben. Ihre Freunde Mzoudi und Mounir El Motassadeq seien in die Anschlagspläne des 11. September nicht eingeweiht gewesen.

Die Haftentlassung sei dennoch „ein voreiliger Trugschluss“ gewesen, so Hemberger. „Da meint das Gericht, mehr zu wissen als die betroffene Behörde“ und hätte seinen auf „monatelange Beweisaufnahme gestützten Glauben in Minuten korrigiert.“ Denn es ist laut BKA durchaus Praxis des al-Qaida-Netzwerkes, Komplizen durch falsche Angaben zu decken und Behörden in die Irre zu führen. Zudem lüge der Muslim schon grundsätzlich, wenn es darum gehe, Freunde zu schützen.

Selbst wenn Binalshibh an diesem Punkt die Wahrheit gesagt hätte, könnten die drei Todespiloten Mzoudi eingeweiht haben, die ja Wochen früher aus dem al-Quaida-Ausbildungslager im afghanischen Kandahar in die Harburger Marienstraße 54 zurückgekehrt seien. Diese könnten aber als Zeugen nicht gehört werden. „Die Attentäter sind tot.“ Die Binalshibh-Protokolle seien ohnedies nicht verwendbar, weil nicht unter „strafprozessualen Bedingungen“ entstanden. Hemberger mochte nicht von „Folter“ sprechen, deutete aber an, US-Geheimdienstverhöre seien zermürbend.

Dass die US-Behörden eine Vernehmung Binalshibhs durch das OLG abgelehnt haben, müsse akzeptiert werden. Hemberger: „Selbst wenn er überhaupt aussagen würde, wer weiß, ob er nicht lügt.“ Für die BAW ist klar: Mzoudi war in die „terroristische Zelle“ eingebunden, was durch seine Radikalisierung, die Ausbildung im al-Quaida-Lager sowie durch Hilfsleistungen für die Todespiloten belegt werde. „Das waren keine üblichen Dienste unter Brüdern.“ PETER MÜLLER