Prioritäten prüfen Peinlichkeiten

Jetzt geht es aber wirklich los: Mit einem Parteitags-Überangebot startet der Bürgerschaftswahlkampf in Hamburg an diesem Wochenende in seine heiße Phase. Alle sind selbstredend zuversichtlich, nur die Schills sind merkwürdig stumm

von SVEN-MICHAEL VEIT

Alle Hamburger Parteien blicken mit „Zuversicht“ dem Wahlabend am 29. Februar entgegen. Und alle haben das Ziel, mehr Prozente und Mandate zu erreichen als im September 2001. Reinhard Soltau und Burkhardt Müller-Sönksen, die freidemokratische Doppelspitze, macht da keine Ausnahme. Er „träume von einem zweistelligen Ergebnis“, bekannte Bildungssenator und Noch-Parteichef Soltau, zumindest aber „ganz nah da dran“ sei möglich. Eine Koalition können sich die Liberalen nur mit der Union vorstellen: „Wir wollen mit der CDU eine verlässliche, stabile Regierung bilden.“

Themenschwerpunkte der Liberalen sollen nach dem Programmentwurf, der gestern vorgestellt wurde, die üblichen freidemokratischen Fixpunkte sein: Bildung, Kinderbetreuung, Wirtschaft,Arbeit und Privatisierung städtischer Unternehmen. Beschlossen werden soll das Programm auf einem Parteitag am Sonntag. Dort soll auch der Abgeordnete Leif Schrader zum Nachfolger Soltaus als Parteivorsitzender gewählt werden.

Das Wochenende der Parteievents

Mit vier Parteitags-Events wird dieses Wochenende der erste Höhepunkt im Hamburger Kurzwahlkampf: Neben der FDP tagen auch CDU, GAL und der Regenbogen.

Bei der Union wird der Wahlausschuss eine Kandidatenliste erarbeiten, welche dem Parteitag am 24. Januar vorgelegt wird. Unstrittig ist die Spitzenposition von Bürgermeister Ole von Beust, weit vorn wird auch Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram landen. Sie wurde am Mittwochabend von ihrem Parteikreis Bergedorf als deren Nummer Eins nominiert. Mit alleine sechs zeitgleichen Veranstaltungen voller Bundesprominenz eröffnet die CDU bereits heute Nachmittag um 16 Uhr ihre heiße Wahlkampfphase. Im Mittelpunkt stehen die Auftritte von Parteichefin Angela Merkel und von Beust im Multimediacenter am Rothenbaum.

Probelauf für Große Koalition

Der SPD-Herausforderer Thomas Mirow, der am Montag die ersten Mitglieder seines Schattenkabinetts vorstellen will, hat seinen Wahlkampfauftakt bereits am Mittwochabend hinter sich gebracht. Bildungs- und Familienpolitik habe für ihn „eindeutige Priorität“, verhieß er beim Neujahrsempfang vor etwa 500 Gästen in der Akademie der Künste. Allein „bis zu 18.000 zusätzliche Kita-Plätze“ werde er als Bürgermeister binnen zwei Jahren schaffen.

Der CDU bot Mirow die Unterstützung der SPD-Fraktion an, um das Airbus-Enteignunsgesetz noch vor der Neuwahl durch die Bürgerschaft zu bringen. Da das zerbrochene Rechtsbündnis keine eigene Mehrheit im Parlament mehr hat, ist die Union auf einen solchen Probelauf für eine Große Koalition angewiesen, wenn die Erweiterung des Airbus-Flughafens nicht am Widerstand der Anwohner scheitern soll.

Das käme allerdings beim zweiten potenziellen Koalitionspartner GAL gar nicht gut an. Die Grünen starten morgen Nachmittag mit einem Programm-Parteitag in den Wahlkampf. Dessen Motto „Hamburgs kann‘s besser“ solle verdeutlichen, so Parteichefin Anja Hajduk, „dass die bisherigen Regierungsparteien unser Hauptgegner sind“. Das grüne Wahlversprechen, garniert mit einem Foto von Ronald Schill und Ole von Beust, lautet: „Nie wieder Peinlichkeiten.“

Wahlprüfsteine für die Grünen

Unter Druck geraten die Grünen bereits von zwei Seiten. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) veröffentlichte gestern Wahlprüfsteine für die GAL. Diese müsse „klare umweltpolitische Ziele formulieren“, wenn sie „wählbar sein“ wolle. Dazu gehöre, so der BUND, die Erweiterung des Airbus-Werks Finkenwerder und das Enteignungsgesetz „ohne Wenn und Aber abzulehnen“.

Und links von der GAL will sich der Regenbogen positionieren. Auf einer Mitgliederversammlung der Wählervereinigung am Sonntag Nachmittag will diese ihre Kandidatur bei der Bürgerschaftswahl als „linke Alternative“ im Bündnis mit der PDS offiziell beschließen.

Trügerische Ruhe bei Schills

Merkwürdig ruhig waren hingegen gestern die beiden Schill-Nachfolgeorganisationen. Kein Sterbenswörtchen verlautbarten die verfeindeten Rechtsaußen-Truppen. Gewiss nur eine trügerische Ruhe.