Neue Platten
: Mit „Who Wants To Be A Millionaire“ kommt von Klangkrieg eine kleine musikalische Anleitung, wie man bestimmt keine Millionen macht

„Who Wants To Be A Millionaire“, Klangkrieg/Hausmusik, A-Musik

So appellativ klingt es bereits etwas hämisch. Wer will das wirklich sein, unter vernünftigen Menschen: Millionär? Hat was anrüchiges, wie die Superstars, die allerorten gesucht werden. Aber solche Szenen müssen auch beäugt werden, und dazu ist „Who Wants To Be A Millionaire“, der Sampler aus dem Haus des Berliner Labels Klangkrieg, ein Stück Mediengeschichte, eine Pingpong-Analyse in Sachen Kulturproduktion, fortgesponnen zu einem Netzwerk, das den ganzen Verwerfungsweg im Schneeballsystem gleich wieder selbst als Plattform zur Selbstdarstellung nutzt. Puh. Also nochmals zurück auf Start. Die Spielregel: Am Anfang des Projekts stand ein Fundstück, die Auslobung eines Wettbewerbs eines Fernsehkomponisten (der auch einen Fernlernkurs für Medienkomponisten anbietet): Die Titelmusik für eine neue Gameshow sollte geschrieben werden, und dazu erklärt der Produzent eben der „Who Wants To Be A Millionaire“-Show kurz die dramaturgischen Kniffs solcher Sendungen, also die Psycho-Idiotie, die die Menschen in den Shows zu Markte tragen.Einfach der ganz normale Wahnsinn, der in dem Klangkrieg-Projekt von den Beteiligten weitergesponnen wird, die Vorlage auseinandergenommen und neu zusammengesetzt. Eignern von Negativland-Platten ist dieses Spielfeld der musikalischen Medienkritik vertraut.Das ist eher was für die harten und unerschütterlichen Ohren, die locker zwischen Störgeräuschen und den weiteren Zumutungen switchen können, von den üblichen Verdächtigen der Klangbastler. Harald „Sack“ Ziegler (für jeden Schabernack zu haben) hat eine elektrifizierte Lagerfeuernummer im Angebot, Ekkehard Ehlers steuerte in seiner Schleifung der Projektidee einen Neue-Musik-Dub bei. Vom Soundpiratenprojekt Donna Summer aus New York kommt ein Breakbeat-Gewitter. Mit Guido Möbius hört man popversierten Minimalismus und mit Zeitkratzer eine durch Schlock und Nebel watende Industrial-Collage … alles korrekt und mit Schmackes, und doch auch mit der Problemlage wie bei vielen solcher Projekte, wenn die Musik selbst gar nicht eigentliches Ziel, sondern nur Mittel ist, um über ein weiteres Medium (hier Medienanalyse) etwas auszusagen: dass die Spanne dazwischen oft nur irgendwie akustisch zugeschüttete Leerstelle bleibt.Nicht alles auf dem Sampler hört sich so plausibel wie der Beitrag von Vert (dem man schon die Keith-Jarrett-Paraphrasen verdankt): „Last Night I Dreamt That Capitalism Collapsed Under The Weight Of Conflicting Desires“, mit der schönsten Version der auf der CD so oft gesampelten Worte „Who Wants To Be A Millionaire, zuerst als besinnlicher Chorgesang, dann in die einzelnen Silben zerlegt, zerstottert. Da wird wirklich ein Traum zerpflückt und dann wieder in eine Friedfertigkeit jenseits der Wünsche überführt. Dieser Track funktioniert innerhalb und eben auch außerhalb des spezifischen Zusammenhangs. Abseits der Folie des Gameshow-Irrsinns gehört, bleibt der Sampler dann vor allem wieder ein weiteres, wenn auch recht zickiges, Elektronik-Album. THOMAS MAUCH