berlin 2004: schulden, chancen, scherereien
: Eine Reform, viel Moderne und noch mehr Drohungen

Neues Jahr, neues Glück. Für die Berliner heißt es aber erst mal, tiefer in die Tasche zu greifen. Wir sagen in einer kleinen Serie, was teurer wird, worauf man sich freuen kann und was sich sonst noch ändert. Heute: Kultur.

Selbst die härtesten Skeptiker in Sachen Kultur werden seit dem 1. Januar 2004 eines Besseren belehrt. Startet doch seit Jahresbeginn die Opernreform. Damit ist der Erhalt der drei Bühnen Staatsoper, Deutsche Oper und Komische Oper gesichert. Ernannt durch die Opernstiftung wird außerdem deren Generalintendant.

Filmfans erwartet Mitte Februar wieder die Berlinale, Berlins großes Filmfestival am Potsdamer Platz. Da wird der rote Teppich ausgerollt für die Autogrammjäger der Stars und Sternchen. Und Chancen auf viel positive wie negative Aufmerksamkeit wird auch der Enkel des NS-Rüstungsfabrikanten Friedrich Flick, „Mick“ Flick, erhalten. Im September eröffnet die Flick-Collection am Hamburger Bahnhof mit der Sammlung moderner Kunst. Wer sich dort nicht satt gesehen hat, kann zusätzlich in die Schau des New Yorker Museum of Modern Art in der Neuen Nationalgalerie gehen – oder sich eine von hundert geplanten neuen Aufführungen in Drei-Theater-Intendant Matthias Lilienthal HAU 1, 2, 3 ansehen. Ist weniger mehr?

Es gibt weniger. Der Sparhammer hat auch wieder die Kultur getroffen. 11 Millionen Euro weniger hat der Kultursenator Flierl in seiner Schatulle und hat damit ein Auge auf die Berliner Symphoniker und deren mögliche Abwicklung geworfen. Auch die Freie Szene und die Theaterbühnen stehen vor Veränderungen, hat doch Flierl deren finanzielle Umstrukturierung und Eigenverantwortlichkeit im Sinn. Wie viel Entlassungen von Mitarbeitern es geben wird, mal seh’n.

Wenn wir schon von Personen reden, dann fällt 2004 sicher der Name Sasha Waltz, die, wenn ihr nicht ein neues Angebot für sie selbst und ihr Tanz-Ensemble an der Schaubühne gemacht wird, dort aufhört. Und 2004 same procedure as last year: Wie oft kündigt Claus Peymann am Berliner Ensemble BE, wie oft kündigt Daniel Barenboim an der Staatsoper Unter den Linden und wie oft kündigt Frank Castorf bei der Volksbühne? Einmal, dreimal, monatlich?

Dass die Topographie des Terrors dieses Jahr nicht fertig gebaut wird, ist evident. Dagegen wird der Stelenwald am Holocaust-Mahnmal wachsen und das DHM eröffnet werden. Gespannt sein darf man auch, was aus der geplanten RAF-Ausstellung in den Kunst-Werken wird. Gibt es dafür neue Fördermittel des Hauptstadtkulturfonds oder geht sie im politisch korrekten Gezänk unter? Schließlich: der Palast der Republik. Der Bundestag und das Land haben seinen Abriss beschlossen, obwohl die Mittel für den Abriss und die für die vorgesehene Grünanlage fehlen. Aber das macht ja nichts. Denn stattdessen plant die Initiative Zwischennutzung bereits den Umbau und zahlreiche Aufführungen dort. ROLA

morgen: Polizei und Justiz