Ein Schleifer für die ganze Welt

Sipke Bosma ist Bauer aus der Provinz Friesland. Bei der Eisschnelllauf-EM in Heerenveen sorgt er dafür, dass die Schlittschuhe den richtigen Schliff haben

HEERENVEEN taz ■ Wenn Anni Friesinger, Claudia Pechstein und Co. an diesem Wochenende in Heerenveen bei den Europameisterschaften im Eisschnelllauf aufs Eis gehen, muss alles bis auf den letzten Schliff stimmen. Und das darf man getrost wörtlich nehmen. Denn auf den Schlittschuh kommt es an.

Was auf den ersten Blick nicht zu erkennen ist: Die superteuren Klappschlittschuhe sind nicht etwa kerzengerade, sondern haben eine Rundung, die allerdings mit ungeschultem Auge kaum zu erkennen ist. Einer, der so etwas sieht, ist an diesem Wochenende ein viel gefragter Mann: Sipke Bosma, Bauer aus der Provinz Friesland nahe dem Ijsselmeer und laut Henk Gemser, dem ehemaligen Goldmedaillentrainer der holländischen Eisschnellläufer, ein Mann mit „Fingerspitzengefühl“.

Sipke Bosma ist schon seit Jahresbeginn in den Katakomben von Thialf, der berühmten Eisschnelllaufhalle von Heerenveen, fast nonstop tätig, für alle Topleute. „Wy moatte it mei-elkoar dwaan. It is al sa’n lytse sport“, erzählt der 58-Jährige auf Friesisch, grenzübergreifende Sprache zwischen Deutschland und Holland. Was so viel heißt wie: „Wir müssen zusammenhalten, es ist doch schon so ein kleiner Sport.“

„Sipke Bosma ist für alle Eisschnellläufer da“, schreibt das friesische Magazin Friesland Post, „für die Topleute, die Hobbyläufer, die Marathonspezis, für jede Mannschaft, für jedes Land.“ Natürlich auch für Anni Friesinger oder Claudia Pechstein, wenn die ein Problem mit dem Schlittschuhschliff haben. Peter Müller, deutsch-amerikanischer Coach des niederländischen Eisschnelllauf-Erzfeindes Norwegen, hat Bosma gleich für eine ganze Woche vor der EM angestellt. Mit Hollands Eisschnelllauf-Star Marianne Timmer hat er „alle Höhen und Tiefen mitgemacht“, wie er an seiner Werkbank in Thialf erzählt. Als Juniorenläuferin hatte der Mann aus dem friesischen Städtchen Joure Timmer an einem Wochenende gleich viermal stürzen sehen. Bosma nahm die Schlittschuhe, sah – und brachte seinen speziellen Schliff drauf. Am anderen Tag lief Timmer persönliche Bestzeit. Kein Wunder, dass sich die Anfragen im Hinblick auf die Olympischen Spiele von Turin 2006 im Hause Bosma in Joure schon jetzt stapeln.

Seit den Spielen von Nagano ist er im internationalen Eisschnelllauf-Zirkus ein anerkannter Fachmann – gegen den Widerstand des großen Schlittschuhfabrikanten Viking aus Weesp bei Amsterdam. „Sie dachten über mich: Was will denn der friesische Bauer da“, erzählt Bosma noch heute mit einem kleinen Augenzwinkern. Während der Olympischen Spiele von Salt Lake City war Bosma eigentlich ausschließlich für Oranje tätig. Doch hatte er das eine oder andere Mal auch „fremde Schlittschuhe“ auf seinem speziellen Schleifbock. Als ihn Funktionäre darauf ansprachen, spielte er den Ahnungslosen.

Von den Wettbewerben sieht er, obwohl er kaum 50 Meter vom Zielstrich in Thialf werkelt, nicht viel: Es gib keine TV-Bilder an seinem Arbeitsplatz, und Zeit, sich die Wettbewerbe live anzusehen, hat er nicht. Seine Frau nimmt die EM auf.

EGON BOESTEN