Stolpe schickt neue Bagger an die Elbe

Bundesverkehrsminister hält Koalitionsbeschluss für nicht durchstehbar und kündigt Ende des totalen Baustopps an

BERLIN taz ■ Nach sechs Monaten verkehren seit dieser Woche erstmals wieder Züge zwischen den sächsischen Städchen Nossen und Roßwein. Das Hochwasser der Mulde hatte zehn Kilometer der Bahnlinie Dresden–Leipzig letzten August stark beschädigt. „Die Zeit ist reif“, erklärte Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD). Und zwar „reif, aus den Erfahrungen der Flutkatastrophe an Elbe und Donau Konsequenzen zu ziehen“.

Eine Konsequenz, die Stolpe am Herzen liegt: der Elbausbau. In einem Interview mit der Magdeburger Volksstimme kündigte er an, den totalen Baustopp vom Sommer aufzuheben. „Das Hochwasser wurde nicht durch Baumaßnahmen verursacht, sondern von ungewöhnlich heftigen Regenfällen in kürzester Zeit“, so der Bundesbauminister. Ein totaler Baustopp sei nicht durchzustehen, vor allem Tschechien mache Druck, das mit seinen Kähnen die Elbe nutze wie kaum ein anderer. Zudem: Alles, was gebaut werde, sei Instandsetzung – kein Ausbau, versichert Stolpe. „Ich habe den Leuten in der Wasserschifffahrtsdirektion gesagt: Plant weiter.“ Die Reaktion aus den Umweltverbände kam prompt: „Naturnahe Flüsse sind die beste Versicherung gegen mögliche Fluten“, erklärte gestern die BUND-Vorsitzende Angelika Zahrnt. Ein Ausbau sei der falsche Weg, widerspreche dem rot-grünen Koalitionsvertrag. Die Bürgerinitiative „Pro Elbe“ reagierte mit „Empörung“: Selbst die EU-Kommission habe festgestellt, dass auch mit Unterhaltungsarbeiten gegen geltendes EU-Recht verstoßen werde. Dabei beruft sich „Pro Elbe“ auf die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, in der für besonders schützenswerte Naturgebiete – etwa dem Biosphärenreservat „Flusslandschaft Mittlere Elbe“ – ein Verschlechterungsverbot festgeschrieben ist. Genau dies würden aber die geplanten Arbeiten bedeuten. Der Magdeburger Domprediger Giselher Quast erinnerte daran, dass Ende letzten Jahres 20.000 Unterschriften gegen weitere Uferarbeiten an Stolpe übergeben worden seien. Wenn nötig, werde er die Protest-Reihe der „Elbe-Andachten“ wieder aufnehmen. Nabu-Bundesgeschäftsführer Gerd Billen erklärte: „Wer nach der Flut jetzt schon wieder laut über Ausbau nachdenkt, zeigt Symptome einer bedenklichen Vergesslichkeit.“ Als beinahe skurril bezeichnete Billen den sachsen-anhaltinischen Verkehrsminister Karl-Heinz Daehre. Der hatte erklärt, wegen etwas zu viel Regen in zu kurzer Zeit dürfe ein wirtschaftlich so wichtiges Projekt wie der Elbausbau nicht aufgeben werden.

Stolpe, der am Wochenende in Dresden Fluthelferorden verlieh, hatte dort erklärt: „Hochwasserschutz hat für die Bundesregierung höchste Priorität.“ Das geht Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) ganz genau so – und konterte: „Wir werden auf sächsischem Gebiet die Elbe nicht ausbauen.“ NICK REIMER