Innovation = Technik + Wirtschaft + X

Grüne erkennen auf ihrer Klausurtagung, dass sie auch Innovation wollen, aber „nachhaltig“. Nachhaltig wiederum soll nicht „bedenkentragend“ sein, sondern „fröhlich“. Was dies etwa für den Wunsch nach „Elite-Unis“ heißt, bleibt vorerst undefiniert

AUS WÖRLITZ LUKAS WALLRAFF

Innovation, Innovation, Innovation. Das neue Lieblingswort des Kanzlers beherrscht die Klausurtagungen beider Koalitionsparteien zum Jahresanfang. Nicht immer wird dabei klar, was mit diesem Begriff genau gemeint ist. Von bösen Zungen heißt es, bei der SPD-Vorstandsklausur in Weimar sei so viel heiße Luft verbreitet worden, dass der Schnee hätte schmelzen müssen.

Diesen Vorwurf, immerhin, kann den Grünen keiner machen. Als sie gestern zu ihrem Tagungsort in Wörlitz fuhren, hatte es bereits getaut. Richtig ist es daher, wenn der grüne Fraktionsvorstand in seinem Positionspapier zum „Start ins Innovationsjahr 2004“ behauptet: „Die Zeichen stehen auf Grün.“ Meteorologisch betrachtet.

Politisch ist die Lage für den kleinen Koalitionspartner ein wenig komplizierter. Einerseits muss und will man den neuen Innovationseifer der SPD unterstützen. Alles ist angenehmer als eine weitere Steuer- oder Sozialabbaudebatte. Andererseits schwant den Grünen längst, dass der Kanzler mit seiner „Innovation“ etwas ganz anderes meint als sie. Im grünen Fraktionspapier werden die möglichen Konfliktlinien angedeutet: „Wir Grüne meinen mit Innovation mehr als Technik und Wirtschaft.“ Dies sei auch als Antwort auf die SPD zu verstehen, sagt der Fraktionslinke Winfried Hermann. Bei den Sozialdemokraten werde der Begriff „zunehmend sinnentleert“ verwendet. Für die sei offenbar „alles gut, was irgendwie innovativ klingt“. Das sei aber „Quatsch“.

So deutlich würde es die grüne Fraktionsspitze niemals formulieren. Sie drückt ihr Unbehagen subtiler aus – zum Beispiel durch Weglassen. So taucht das von der SPD propagierte der Ziel der „Elite-Unis“ in dem Papier überhaupt nicht auf. Was allerdings nicht heißt, dass die Grünen dagegen wären. Sie müssen bloß erst diskutieren. Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte vor der Sitzung, auch die Grünen seien für die Förderung von Eliten, aber „an den Universitäten“. Außenminister Joschka Fischer dagegen erklärte bei seiner Ankunft fröhlich, er könne sich so etwas wie „Leistungs-Universitäten“ durchaus vorstellen.

Die wichtigste Botschaft aus Wörlitz ist unumstritten: „Nachhaltig grün“ sollen die Innovationen sein. „Wir wollen ein nachhaltiges, qualitatives Wachstum.“ Wie deutlich man der SPD widersprechen möchte – da gehen die Meinungen schon auseinander. Die Mahnung zur Nachhaltigkeit solle keineswegs als Rückfall in alte „Bedenkenträgerei“ verstanden werden, heißt es aus der Parteispitze. Ihr ist es wichtig, dass die grünen Positionen „konstruktiv“ sind, „positiv formuliert“ werden und, warum nicht, „fröhlich“ klingen. Schließlich müsse man sich nicht verstecken – Ökologie und Wachstum seien längst kein Gegensatzpaar mehr, im Gegenteil.

Auch die Grünen selbst sehen sich nicht mehr als Öko-Nischenpartei – deshalb heißt es in dem Papier: „Als Bedingung für wirkliche Innovationsfähigkeit brauchen wir Erneuerung in allen gesellschaftlichen Bereichen.“ Geht es auch genauer? Aber ja: „Sie fängt im Kopf und im Miteinander an.“

Einen Vorgeschmack darauf, wo das Innovations-Miteinander mit der SPD aufhört, bekamen die Grünen, als der Kanzler sie mit seinem Solo für den Verkauf der Hanauer Plutoniumfabrik verschreckte. Wie man damit umgeht, wird auch in Wörlitz heftig diskutiert. Während die energiepolitische Sprecherin Michaele Hustedt sagt, man müsse „erst einmal den Rechtsstreit gewinnen“, findet Winfried Hermann, Gegenargumente gebe es genug. „Jetzt muss Fischer Mumm zeigen und Nein sagen.“ Sicher ist nur: Diese Forderung wird sich im Abschlusspapier heute garantiert nicht finden.