Demonstrieren ohne Verstand

Der Widerstand der Antifa gegen den Schlingensief-Film in Düsseldorf war ein Witz. Peter Kerns Hamlet-Dokumentation aus Zürich ist keine Verherrlichung des Neonazitums, sondern das Gegenteil

VON PETER ORTMANN

„Wir machen Theater.“ Der Düsseldorfer Antifa-Sturmlauf auf die Maschinenhalle war angekündigt. Sie wollten gestern Abend die Vorführung vom Dokumentarfilm des österreichischen Regisseurs Peter Kern über Schlingensiefs Theaterstück „Hamlet“ verhindern. Die Polizei ist mit drei dutzend Ordnungshütern vor Ort. Die Presse zittert vor Erregung. Fernsehkameras umschwirren den Tatort. Doch nix passierte: Die Polizei hat die 12 Antifakämpfer im Griff, die mit Bettlaken versuchen, das Durchgangstor zur Halle zu blockieren.

Drinnen war man unter sich. Die enttäuschten Journalisten, der fröhliche Peter Kern, ein unschuldig weiß gekleideter Torsten Lemmer, merkwürdig stämmige Bodyguards mit kurzem Haar und blitzenden Digicams und zahlende Normalsterbliche.

Endlich wurde der Stein des Anstoßes auf die Leinwand geworfen. Der Dokumentarfilm über Schlingensiefs Hamlet-Inszenierung in Zürich. Kerns Arbeit ist nah an den Personen, lustig und provokativ, nie naziverherrlichend. Im Gegenteil. Die Schar selbsternannter Umgedrehter, die das Shakespeare-Stück mit Irm Herrmann und Sebastian Rudolph als Hilfsschauspieler garnierten, wirkten wie kleine Jungs, denen zuviel Aufmerksamkeit geschenkt wird. Einzige Ausnahme ist Torsten Lemmer.

„Du bist einfach scheiße“ wird ihm bei den Proben vom Ex-Kameraden bescheinigt. Den Affront, der früher mit Blut und Waffe beantwortet wäre, lässt er aalglatt abprallen, schwingt sich auf zum Sprecher der Gruppe. Stellt Ansprüche an Schlingensief und legt am Grab Bertholt Brechts einen Kranz nieder.

In Düsseldorf steht er nach dem Film jeder Frage Rede und Antwort. Zu seiner Person (“mein Opa war 40 Jahre SPD Mitglied und unter Hitler im Widerstand“), zu seinen Ansichten (“Ich wäre damals auch im Widerstand gewesen, weil ich immer gegen herrschende Strukturen bin“) und seinen Finanzen (“Ich lebe von meinem Sonnenstudio, der Welpenzucht und den Charterbooten im Mittelmeer“). Tatsächlich alles Werte, die heute in der FDP Konjunktur hätten. Nur die Bodyguards im Theatersaal machen Sorgen: „Wenn mich die alten Kameraden kriegen, machen die mich kalt“, verteidigt sich Lemmer. Vor der Antifa habe er keine Angst.

Dann wird Schlingensief live zugeschaltet: „Diesen Film kann man sich noch in zehn Jahren anschauen, wenn Herr Erwin längst wegen Steuerhinterziehung im Gefängnis sitzt“, lobt er Kerns Arbeit und vernichtet die NRW-Kulturpolitik. Da würden Millionen in Triennalen gesteckt, wo nur olle Kamellen gezeigt würden.

Draußen ist es ruhig. Die Polizisten langweilen sich. Die Antifa ist zehn Minuten nach Beginn verschwunden.