Ohne jeden Mut

Psychologen warnen vor massivem Krankheitsrisiko für Erwerbslose und geißeln Hilfekürzungen

Die gesundheitliche Lage von Erwerbslosen in Hamburg hat sich drastisch verschärft. Darauf weist der Verein Solidarische Psychosoziale Hilfe (SPSH) hin. Der Abbau der staatlichen Hilfen parallel zum engen Arbeitsmarkt erhöhe das psychische Krankheitsrisiko „enorm, besonders in Richtung Depression“, warnt die Hamburger Beratungsstelle für Erwerbslose. Die Menschen empfinden Wut, Ohnmacht und Verzweiflung, wie Psychologe Christian Schultz warnt. „Solche Gefühle sind bester Nährboden für psychische Krankheiten.“

2003 suchten rund 1.060 Erwerbslose bei der SPSH Rat. Schultz zufolge ist der Zulauf in den vergangenen drei Jahren um mindestens 20 Prozent gestiegen parallel zur wachsenden Arbeitslosigkeit. In Hamburg kletterte die Quote zuletzt auf 9,7 Prozent. Zwei Drittel aller Hilfesuchenden sind zwischen 30 und 50 Jahre alt, nahezu die Hälfte hat Abitur. Schultz mahnt: „Weder Jugend noch Bildung schützt vor Arbeitslosigkeit.“ Alle Berufe seien betroffen, „auch ansprechende Karrieren und vermeintlich sichere Jobs“.

Überwiegend suchen Langzeitarbeitslose bei den Psychologen der SPSH Unterstützung. Renate Schumak erklärt: „Je länger die Arbeitslosigkeit andauert, desto mehr sinkt das Selbstwertgefühl.“ Zugleich verschlechterten die jüngsten Reformen wie Praxisgebühr und Arbeitslosengeld II die finanzielle Lage von Erwerbslosen „dramatisch“.

„Das Leben ohne Job ist sehr viel härter geworden“, empört sich Schumak. Dazu trage auch der Bewerbungszwang und die Regel bei, dass Arbeitlose jeden Job annehmen müssen. So berichten die Helfer von Klienten, denen das Sozialamt sieben Bewerbungen pro Woche aufzwinge auf Stellen, „die unerreichbar sind“. Mehr als 30 Absagen in sechs Wochen seien nicht selten. Schumak warnt: „Das raubt jeden Mut und erhöht somit das Krankheitsrisiko.“ EVA WEIKERT