Raketenfrage spielt den USA in die Hände

Sollte Saddam Hussein sich weigern, am Samstag mit der Zerstörung von Raketen zu beginnen, könnte das den USA als Casus Belli dienen

GENF taz ■ Wird Irak der am Freitag erhobenen Forderung von UNO-Chefinspektor Hans Blix nachkommen, vor diesem Samstag mit der Zerstörung seiner rund 100 Raketen vom Typ Al-Samoud-2 zu beginnen? Im Unterschied zu einer Reihe irakischer Diplomaten und Generäle, die in den letztenTagen ein Eingehen auf die Forderung von Blix signalisierten, hat Saddam Hussein die Zerstörung der Raketen nach Angaben des US-Fernsehsenders CBS in einem Interview mit Star-Moderator Dan Rather (dessen Wortlaut bislang nicht vorliegt), angeblich ausgeschlossen.

Sollte dies zutreffen und Saddam Husseins Äußerung das letzte Wort aus Bagdad in dieser Angelegenheit sein, könnte sich die Raketenfrage zum Casus Belli entwickeln und die anstehenden Entscheidungen im Sicherheitsrat entscheidend beeinflussen. Es gibt Indizien dafür, dass die Bush-Regierung genau auf dieses Szenario hingearbeitet hat.

Laut Blix hatte die irakische Regierung das Rüstungsprogramm für die Al-Samoud-2-Rakete, die Testergebnisse sowie die Existenz von inzwischen rund 100 Raketen (von denen bislang 50 an die Armee ausgeliefert wurden) gegenüber den UNO-Inspektoren offen dargelegt. Stutzig wurden die Inspektoren, weil bei 13 von 40 Flugtests die Reichweite von 150 Kilometern überschritten wurde – und damit die von der UNO festgelegte Obergrenze für Kurzstreckenraketen, die Irak in unbeschränkter Zahl, allerdings ausschließlich bestückt mit konventionellen Sprengköpfen besitzen darf.

Die größte Reichweitenüberschreitung betrug bei einem der 13 Tests 32 Kilometer. Bagdad erklärte die Überschreitung mit dem Gewicht der Testraketen. Anders als in einem realen Kriegseinsatz waren die Raketen bei den Testflügen weder mit einem Sprengkopf noch mit einem Lenksystem bestückt. Außerdem war der Flüssiggastank zu weniger als einem Viertel gefüllt. Diese Erklärung gilt unter Rüstungsexperten durchaus als plausibel. Sie wurde auch bei den internen Diskussionen der Unmovic von einer Reihe von Inspektoren als akzeptabel bewertet. Doch Chefinspektor Blix traf die politische Entscheidung, dass Bagdad mit der Entwicklung der Al-Samoud-Rakete gegen die Auflagen der UNO verstoßen habe.

Auf Drängen der Bush-Administration nahm Hans Blix in seinem Schreiben an die irakische Regierung vom letzten Freitag, in dem er die Zerstörung der Raketen fordert, den 1. März als Frist (für den Beginn der Zerstörung) auf. Auch die Forderung, wonach Bagdad bis zum 1. März alle 100 Al-Samoud-Raketen in zwei zentralen Depots der Unmovic abzuliefern habe, wurde dem UNO-Chefinspektor von Washington nahe gelegt.

Diese Forderung erhöht zum einen die Chance einer Ablehnung durch Bagdad. Zum zweiten will die Bush-Administration sicherstellen, dass die irakische Armee zum Zeitpunkt eines möglichen Angriffs der US-Streitkräfte auf Irak ab Mitte März über keine Al-Samoud-Raketen mehr verfügt.

ANDREAS ZUMACH