Gleichschritt mit kleiner Verzögerung

Die boxenden Brüder Sebastian und Stefan Köber möchten nicht die deutschen Klitschkos sein. Lieber wollen sie ihre eigene Geschichte schreiben und sich zunächst einmal für die Olympischen Spiele im Sommer in Athen qualifizieren

WISMAR taz ■ Manchmal wächst die eigene Bekanntheit im Schatten großer Vorbilder. Als die Gebrüder Köber bei den Deutschen Meisterschaften der Amateurboxer in Wismar im Spätherbst des vergangenen Jahres Seite an Seite triumphierten, konnten sie noch nicht ahnen, welche Rollen sie demnächst auszufüllen haben.

Erst Tage später, nachdem Freunde und Verwandte Zeitungsartikel aus der ganzen Republik nach Frankfurt an der Oder gesandt hatten, wurde ihnen bewusst: Es würde eine Weile dauern, bis die mediale Obhut der ukrainischen Idole der ersehnten Eigenständigkeit weichen würde. Als „deutsche Klitschkos“ wurden sie hofiert, liebevoll gestaltete Fotomontagen unterlegten die Schlagzeilen.

Im ersten Moment empfanden die Köber-Brüder ein Gefühl der Genugtuung, sie waren stolz. Inzwischen schwankt die Gemütslage zwischen Unsicherheit und Verlegenheit. „Wir wollen unsere eigene Geschichte schreiben“, sagen sie, „und kein billiger Abklatsch sein.“ Selbstbewusst wirkt das, im matten Licht der Hotellobby, in einem Vorort Wismars, dort, wo sie das erste Kapitel des Familienunternehmens vor wenigen Monaten bei den nationalen Titelkämpfen geschrieben hatten. Olympia heißt das große Ziel. Sebastian, der ältere Bruder, ein 24 Jahre alter Superschwergewichtler, kennt das Fieber der Ringe. Er hat es lieben gelernt. In Sydney gewann er 2000 die Bronzemedaille, seine Dienstreise nach Athen in diesem Sommer gilt als gesichert.

Stefan, 19, der jüngere Bruder, hat bis dahin noch einen weiten Weg vor sich. Zunächst muss der Schwergewichtler an diesem Wochenende bei einem internationalen Turnier in Mecklenburg mit englischen, irischen und litauischen Kämpfern seine deutschen Konkurrenten hinter sich lassen. Sollte er dann am Sonntag in Schwerin für die Europameisterschaften Ende Februar in Kroatien nominiert werden, wären die olympischen Ringe fast greifbar. „Den größten Sprung hat Stefan gemacht, aber einen Freifahrtschein hat niemand“, sagt Bundestrainer Helmut Ranze. Ihre EM-Teilnahme haben neben Sebastian Köber lediglich der Weltmeisterschaftszweite Tajbert (Federgewicht), der WM-Dritte Rachimow (Fliegengewicht) und der Deutsche Meister Groß (Halbschwer) sicher.

Sollten die Köber-Brüder tatsächlich gemeinsam nach Athen fliegen, würden die Klitschko-Gedächtnis-Reportagen vermutlich eine neue Stufe erklimmen. „Das nehmen wir dann gern in Kauf.“ Sie ergänzen sich, nicht nur rhetorisch. Behutsam verknüpfen sich ihre Aussagen zu einem interessanten Geflecht. Beide hatten den Boxsport durch den Vater kennen gelernt, sie besuchten die Kinder- und Jugendsportschule. Und auch sonst existieren in den Lebensläufen kaum Abweichungen. Mit der Ausnahme, dass Sebastian einen fünfjährigen Vorsprung hat. Nicht nur zwischen den Seilen. Momentan widmet er sich seinem Wirtschaftsstudium. Die Banklehre, die Stefan kürzlich begann, hat Sebastian bereits abgeschlossen. „Ich profitiere von den Erfahrungen meines älteren Bruders“, sagt Stefan. Fehlern, die Sebastian begangen hat, geht er nun aus dem Weg.

Gleichschritt mit Verzögerung, so könnte man die Karriere der Köbers wohl bezeichnen. Dass beide irgendwann im Profigeschäft landen werden, steht außer Frage. Klaus-Peter Kohl, Geschäftsführer der Universum Box-Promotion, soll Sebastian für die Zeit nach den Olympischen Spielen schon ein Angebot unterbreitet haben. „Beide bewegen sich hervorragend. Natürlich sind wir an ihnen interessiert“, sagt Universum-Trainer Fritz Sdunek. Das Sauerland-Team hat die Chance vermutlich verschlafen. Zu sicher wähnte man sich, dass Amateurboxer aus Frankfurt (Oder) nur ins Profilager der heimischen Ikone Manfred Wolke wechseln würden. „Entweder sie kommen freiwillig oder gar nicht. Alles andere bringt nichts“, meint Wolke. „Es ist nicht meine Art, Leute mit Geld zu ködern.“ Die Beteiligten selbst verbergen sich hinter Sätzen der Zurückhaltung und verwehren jeden Kommentar. Sie denken selbstredend nicht an die Zukunft, sondern von Kampf zu Kampf. Ob sie sich das bei den Klitschkos abgeschaut haben?

RONNY BLASCHKE