Heimliche Bilder

Der Bundestag plant ein Gesetz zum Schutz der Privatsphäre. Fotografen und Verleger sehen jedoch Gefahren für die Pressefreiheit

VON CHRISTIAN RATH

Heimliche Fotoaufnahmen, die die Intimsphäre verletzen, sollen bald strafbar sein. Dies sehen Gesetzentwürfe vor, die der Bundestag derzeit diskutiert. Alle Fraktionen sind sich einig, dass ein neues Strafgesetz nötig ist. Fotografen und Verleger fürchten jedoch eine unnötige Einschränkung der Pressefreiheit.

Günter Zint, der legendäre Hamburger Politfotograf, schlug diese Woche Alarm. „Wenn das durchkommt, könnt ihr mich bald im Knast besuchen“, formulierte er in einem galligen Rundschreiben. „Bildjournalismus mit versteckter Kamera muss möglich bleiben, um Missstände aufzudecken.“ Zint hat Erfahrung mit der Justiz, gemeinsam mit Günter Wallraff war er undercover bei der Bild-Zeitung aktiv und dokumentierte auch dessen Erfahrungen „ganz unten“.

Die Politik ist überrascht. Offiziell ist nämlich kein Gesetz gegen die Presse geplant. Vielmehr geht es um Spanner, die Fotos in öffentlichen Toiletten machen, oder um Ärzte, die Untersuchungen heimlich filmen. Im Bundestag sind inzwischen alle Parteien einig, dass ein neuer Paragraf 201 a im Strafgesetzbuch erforderlich sei. Bisher ist dort lediglich das heimliche Mitschneiden eines Gesprächs kriminalisiert, nicht aber das unerlaubte Fotografieren. Zu einer Häufung solcher Vorkommnisse führten angeblich Mobiltelefone mit Foto-Funktion. Jetzt sind selbst die Grünen für das neue Strafgesetz. Derzeit gibt es drei Gesetzentwürfe: von der FDP, die das Thema vor zwei Jahren aufgebracht hatte, von CDU/CSU und vom Bundesrat. Die Unterschiede sind gering. Am kommenden Mittwoch treffen sich deshalb Experten aller Fraktionen, um über ein gemeinsames Gesetz zu beraten.

Die Zeitungsverleger halten das ganze Projekt jedoch für überflüssig. Bei einer Anhörung im September waren sie als einziger Medienverband geladen und äußerten harte Kritik. Denn: Schon heute ist die Verbreitung von Fotos ohne Einwilligung strafbar – geregelt im Kunsturhebergesetz. Selbst Prominente, die in der Öffentlichkeit ohne weiteres geknipst werden dürfen, sind in ihrer Privat- und Intimsphäre genauso geschützt wie Normalbürger. Auch jede Veröffentlichung solcher Fotos im Internet ist jetzt schon strafbar, ebenso die Weitergabe per E-Mail oder der Austausch im Freundeskreis.

Wieso dann ein neues Gesetz? Eine kleine „Strafbarkeitslücke“ gibt es doch: Wer heimlich Fotos und Filme zum persönlichen Gebrauch anfertigt, macht sich bisher nicht strafbar. Doch auch ohne Strafrecht können sich die Opfer wehren. Wenn zum Beispiel ein Handwerker die Toilette seiner Lehrmädchen filmt, können diese Unterlassung, Schadensersatz und Schmerzensgeld verlangen.

Angesichts dieser Ausgangslage verwundert die „Verunsicherung“ der Presse doch etwas: Wenn auch jetzt schon fast alle heimlichen Aufnahmen verboten sind, ändert sich wohl auch für Fotojournalisten wenig.

Günter Zint will dennoch beim neuen Gesetz mitreden. „Es muss zumindest eine Klausel rein, die klarstellt, dass die Aufdeckung von Skandalen nicht verboten ist.“ Im derzeit aussichtsreichsten Gesetzentwurf, dem des Bundesrats, fehlt eine solche Presseklausel. Sein Vorteil liegt darin, dass er das neue Delikt am präzisesten beschreibt. Verboten wären demnach Fotos von Personen in einer Wohnung und „in einem gegen Einblick besonders geschützten Raum“, etwa in einer Toilette oder Umkleidekabine. Außerdem muss dabei der „höchstpersönliche Lebensbereich“ betroffen sein. Das Gesetz wird vermutlich noch in diesem Frühjahr verabschiedet.