Rache für Sars-Bericht

Im Süden Chinas gewinnen KP-Hardliner die Oberhand. Leitende Journalisten wegen Seuchenberichten verhört

BERLIN taz ■ Nachdem die südchinesische Zeitung Southern Metropolis News den Verdacht auf einen erneuten Ausbruch der Lungenkrankheit Sars in der Provinz Guangdong meldete, bevor die Behörden die inzwischen bestätigte Erkrankung zugeben wollten, versucht die dortige KP-Führung jetzt die Medien einzuschüchtern. Zugleich wurden bei Umbesetzungen im Parteikomitee der Boomprovinz Politiker befördert, die als Hardliner gelten.

Nach Meldungen aus Hongkong stieg Guangdongs oberster KP-Propagandachef, Cai Dongshi, in dieser Woche zum stellvertretenden regionalen Parteichef auf. Sein Nachfolger Zhu Xiaodan gilt ebenso wie Cai und der regionale Parteichef Zhang Dejiang als Hardliner. Zhang ist einer der wenigen Führungskader Chinas, der im stalinistischen Nordkorea ausgebildet wurde.

Guangdongs Presse gilt als eine der mutigsten und aggressivsten Chinas. Doch die Kommunistische Partei versuchte schon in den vergangenen Monaten durch Umbesetzungen in den Chefredaktionen, die allesamt der Partei unterstehenden Medien auf Linie zu bringen. Da diese aber miteinander in scharfer wirtschaftlicher Konkurrenz stehen, ist die Wirkung dieser Maßnahmen begrenzt.

Die Behörden schüchtern auch Journalisten direkt ein. So wurden am Dienstag führende Redakteure der Southern Metropolis News einschließlich ihres Chefs plötzlich wegen angeblicher Korruption den ganzen Tag verhört, wie das Hongkonger Informationszentrum für Menschenrechte und Demokratie in China meldete. Das Blatt soll die Behörden verärgert haben, weil es bereits am 26. Dezember, was ausgerechnet Mao Tse-tungs 110. Geburtstag war, über den Sars-Verdacht ohne Zustimmung der Behörden berichtete. Denn die hatten den Verdacht noch nicht offiziell bekannt gegeben. Die Southern Metropolis News gehört zur Southern Daily Gruppe, die dem Guangdonger Parteikomitee gehört.

Unterdessen hat die Weltgesundheitsorganisation WHO von der chinesischen Regierung gestern weitere Informationen verlangt, nachdem eine 20-jährige Kellnerin eines Spezialitätenrestaurants in Guangzhou (Kanton), der Hauptstadt von Guangdong, seit Donnerstag mit möglichen Sars-Symptomen in einem Krankenhaus untersucht wird. In dem Lokal sollen auch die zur Art der Schleichkatzen gehördenden Larvenroller serviert worden sein, deren Tötung die Regierung angeordnet hat. Derweil wurde im angrenzenden Hongkong auch der dritte Sars-Verdachtsfall gestern nicht bestätigt.

SVEN HANSEN

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