Ausverkauf des Kandidaten

Der Republikaner John McCain fällt in den Umfragen immer weiter zurück. Jetzt gibt es sogar seine Fanartikel günstiger – aber wird der Demokrat Barack Obama die US-Wahlen wirklich gewinnen?

AUS WASHINGTON BERND PICKERT

Eigentlich gibt es nur zwei Dinge, die dem republikanischen Kandidaten John McCain am nächsten Dienstag noch zu einem Wahlsieg verhelfen können: Entweder die aktuellen Umfragen aller US-amerikanischen Meinungsforschungsinstitute liegen dramatisch falsch und in der Wahlkabine entscheiden die Menschen doch ganz anders. Oder ein externes Ereignis, etwa ein Terroranschlag, spülen McCain plötzlich wieder nach oben. Geschieht aber nichts dergleichen, dann wird heute in einer Woche Barack Obama zum ersten schwarzen Präsidenten der USA gewählt werden.

Obama führt seit Wochen mit steigender Tendenz in allen Umfragen. Die jüngsten, von der Website realclearpolitics.com zusammengefassten Werte sehen ihn landesweit mit 7,6 Prozentpunkten in Führung, und auch in allen kritischen „Battleground States“ liegt er vorne. Selbst in republikanischen Staaten wie Montana hat sich Obama bis auf drei Prozent an McCain herangearbeitet. Dort hatte George W. Bush die Wahl 2004 mit 20 Prozent Vorsprung gewonnen. In anderen traditionell umkämpften Staaten, etwa Florida und Ohio, hat die Wahl bereits begonnen: Seit dem 20. Oktober dürfen die Menschen dort schon ihre Stimmen abgeben.

Die Obama-Kampagne ist bereits vollauf damit beschäftigt, ihre Anhänger zu den Wahllokalen zu bringen und den Vorsprung in den Umfragen an die Urnen zu tragen: Lange Schlangen vor den Wahllokalen zeigen, dass das auch funktioniert. Konsterniert registrieren republikanische Strategen, dass die Frühwähler diesmal nicht wie sonst weiße republikanische Rentner sind, sondern junge Demokraten, viele Schwarze – insgesamt nach ersten Berichten ein Verhältnis 2:1 von Demokraten zu Republikanern.

Auch in den Souvenirshops rund um die U-Bahn-Station Metro Center in Downtown Washington, DC, ist die Wahl schon gelaufen. „50 Prozent auf alle McCain-Artikel“ verkündet ein Schild, und tatsächlich: Während die schnittigen blauen Windjacken mit Obama-Logo für 51 Dollar angeboten werden, geht die gleiche Jacke mit McCain-Zeichen für 25 Dollar über den Ladentisch. Desgleichen T-Shirts mit den Konterfeis von Sarah Palin und McCain-Gummipüppchen – alles mit 50 Prozent Rabatt. Kurz: Wenn nichts mehr anbrennt, dann stehen Barack Obama und die Demokraten vor einem überwältigenden Sieg.

Insbesondere in konservativen Kreisen wird das kaum noch angezweifelt. David Frum, der neokonservative frühere Redenschreiber Bushs, fordert bereits ein Nachdenken über die Neuorganisation der Republikanischen Partei. McCain, so Frum, könne die Wahl nicht mehr gewinnen. So ähnlich sieht das auch Karl Rove, der „Architekt“ der Bush-Wahlkämpfe. Auch für ihn geben die Zahlen nur noch eine theoretische Chance für McCain her.

Schon geht es bei den Republikanern also mehr darum, wer am bevorstehenden Debakel schuld ist. Ganz sicher: George W.Bush. Dafür spricht, dass nach derzeitigem Stand nicht nur McCain verlieren wird: Auch im Kongress drohen den Republikanern dramatische Verluste. Dann: die Finanzkrise. Die Medien. Der Hype um Obama. Die Auftritte John McCains. Sein Alter. Der schlecht geführte Wahlkampf. Und: Sarah Palin. Die in nationaler Politik unbedarfte Gouverneurin aus Alaska wird inzwischen von vielen Kommentatoren als entscheidender Missgriff McCains angesehen, mit dem er sich um sein wichtigstes Argument gegen Obama gebracht habe: Erfahrung. Auf konservativer Seite glaubt nur John McCain selbst noch an einen Wahlsieg – oder behauptet das zumindest. Bei einem Fernsehauftritt am Sonntag sagte er, er sei stolz auf seinen Wahlkampf, könne in allen Staaten mithalten und es gehe ihm gut. Was soll er denn auch sagen?

Wirklich energisch gegen vorzeitigen Siegestaumel kämpft allerdings Obamas Team. Mehrmals am Tag erhalten die eingetragenen Unterstützer Mail- und SMS-Nachrichten, und wer irgend kann, soll sich in dieser und der nächsten Woche bereithalten, um in den umkämpften Staaten Anrufe zu tätigen, noch einmal von Haus zu Haus zu gehen. Zu oft haben die US-Demokraten sicher geglaubte Wahlen gegen scheinbar klar unterlegene Gegner doch noch verloren – das soll ihnen diesmal nicht wieder passieren. „Niemand soll glauben, dass die Sache schon gelaufen ist,“ sagt Obamas Chefstratege David Axelrod, „es ist nicht gelaufen.“