Behinderte gegen NRW-Kürzungen

NORDWALDE taz ■ Was macht einen Mann aus? Zigaretten rauchen? Geld haben? Oder doch was anderes? Fragen, die alle Pubertierenden interessieren. Auch die geistig behinderten Jugendlichen, die ein Männerseminar in der evangelischen Jugendbildungsstätte im münsterländischen Nordwalde besuchen. 450 Lernhungrige nehmen dort jährlich an Seminaren teil: Sie trainieren ihre Selbstständigkeit, machen PC-Kurse oder bilden sich über andere Länder weiter.

„Es ist ein Gerücht, dass Behinderte von den Kürzungen verschont bleiben“, erklärt Eva Beeres-Fischer, Bildungsreferentin für Jugendarbeit bei der Evangelischen Landeskirche in Westfalen. Zwar sei die Grundversorgung ihres Klientels gewährleistet, da über den Landschaftsverband finanziert. Was die Weiterbildung anginge, seien sie jedoch genauso von den Einsparungen des Landes betroffen wie ihre nichtbehinderten Altersgenossen. Im laufenden Jahr gibt es für die Bildungsstätte 20 Prozent weniger als 2003, im nächsten Jahr gehen die Streichungen weiter.

Aus ganz NRW kommen die jugendlichen Behinderten nach Nordwalde und zahlen die 55 Euro Kursgebühr für ein Wochenendseminar oft vom eigenen Taschengeld. Meistens ist die Zahl der Interessenten doppelt so hoch wie die freien Plätze. Die Themen ähneln denen der VHS, die Methode unterscheidet sich gravierend: „Unsere Angebote sprechen immer mehrere Sinne an“, sagt die Bildungsreferentin. Schließlich seien viele der Jugendlichen auch mehrfach behindert. Im Afrika-Seminar wird die Geschichte der Kolonialherrschaft beispielsweise durch Rollenspiele nachempfunden.

Der Bedarf nach solch einem Angebot, gekoppelt an eine behindertengerechte Ausstattung, sei immens, so Beeres-Fischer. „Unsere Einrichtung ist in NRW ziemlich einzigartig“. Einzigartigkeit schützt jedoch vor Kürzungen nicht. Entweder man müsse die Kursgebühren erhöhen, bedauert Beeres-Fischer. Was aber kaum ginge, denn „der Landesverband hat fürs nächste Jahr Taschengeldkürzungen angekündigt.“ Oder man müsse eben einen Teil des Angebots streichen. NATALIE WIESMANN

Der Beitrag ist Teil 5 der taz-Serie: Wie sich die Etatkürzungen des Landes auf die Kinder- und Jugendarbeit auswirken