Ohne Ostbiografie, aber immerhin eine Frau

Beim RBB könnte Dagmar Reim am 24. März zur ersten weiblichen Intendantin einer ARD-Anstalt gewählt werden

Intendantenwahlen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk sind keine Wunschprogramme, entsprechende Absichtserklärungen sind deshalb nur selten zum Nennwert zu nehmen. „Eine Frau, am liebsten mit Ostbiografie“, wollten im Vorfeld viele in der Berliner Politik, wenn sie zu ihren Ansichten über die künftige Sendeleitung des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) befragt wurden. Herausgekommen ist dabei bekanntlich eher das übliche Personaltableau – ein Gruppenbild mit Dame, Ostbiografie: Fehlanzeige. Mit Blick auf eine strukturell ostdeutsche ARD-Anstalt ist das wahrlich kein ermutigendes Zeichen, aber hinsichtlich der Personalpolitik der ARD in den letzten Jahren alles andere als verwunderlich. Die „Old Boys Networks“ der alten Bundesrepublik funktionieren (noch) reibungslos, da haben Frauen es ebenso schwer wie etwa jene, die in Wendezeiten für den demokratischen Umbau des DFF Verantwortung trugen.

Wenn die Chancen für Dagmar Reim dennoch nicht allzu schlecht stehen, hat dies in erster Linie mit ihrer Person zu tun. Die gebürtige Heidelbergerin, die über BR und WDR zum NDR kam, gilt – anders als ihr Hauptkonkurrenten Ulrich Deppendorf – als agil und meinungsfreudig. Die derzeitige Hamburger Funkhauschefin mit charmantem Faible für das Sammeln von Todesanzeigen hatte zwar als Zählkandidatin (auf SPD-Ticket) bei der letzten ZDF-Intendantenwahl aufgrund der strukturell konservativen Mehrheit der Gremien in Mainz keine Chance, hinterließ aber einen starken Eindruck. Denn die ausgewiesene Journalistin zeigte mit ihrer Bewerbungsrede, dass sie sich für höhere Aufgaben jenseits des NDR empfiehlt, obgleich man sie wohl nominiert hatte, um sie als mögliche Nachfolgerin des NDR-Intendanten Jobst Plog aufzubauen.

Was ihr Respekt in der Branche über die Parteilager hinweg eingebracht hat, dürfte ihr auch in Berlin und Brandeburg Sympathien einbringen. Aus strategischen Gründen verständigten sich die sieben Frauen im 30-köpfigen Rundfunkrat darauf, nur eine Kandidatin mit Gewicht und Profil zu nominieren. Ob die Rechnung aufgeht, bleibt abzuwarten. Sicher ist, dass Reim auch in Kirchenkreisen einen Namen hat. Als Beraterin der publizistischen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz ist die 52-jährige Katholikin eine feste Größe. Wählbar ist sie auch im Umfeld der SPD-Kreise, die sie beim ZDF einst gegen Helmut Reitze ins Rennen schickten.

Vor diesem Hintergrund mag der WDR-Fernsehdirektor Deppendorf als Favorit in die RBB-Intendantenwahl am 24. März gehen, zumal WDR-Intendant Pleitgen gerade seinen Widerstand gegen Deppendorfs Weggang aufgegeben hat. Dagmar Reim ist jedoch mehr als eine veritable Alternative. Entscheidend dürfte sein, wer seine Bataillone im Vorfeld hinter sich bringen kann und konsensfähige Personalpakete im Angebot hat. Die Wahlgänge selbst könnten sich am Ende auch als Geduldsspiel erweisen, da nach derzeitiger Lage der Dinge keiner von beiden die notwendige Zweidrittelmehrheit hinter sich hat. Da die weiteren Mitbewerber Georg Quander und Bernt von zur Mühlen kaum über den Status von Zählkandidaten hinauskommen, könnten Tagesform und die Gemütslage im RBB-Rundfunkrat dafür den Ausschlag geben, ob erstmals eine Frau einer ARD-Anstalt vorsteht. RAINER BRAUN