„Kommerziell geile Kombi“

Der Musiksender Viva soll den Ruf des Grand Prix aufpolieren. Der deutsche Grand-Prix-Chef Jürgen Meier-Beer im taz-Interview über das neue Konzept, die Völkerliebe und Dieter Thomas Heck

INTERVIEW JAN FEDDERSEN

taz: Herr Meier-Beer, seit 1996 verantworten Sie den deutschen Part beim Grand Prix Eurovision. Nun haben Sie mit dem Sender Viva eine Kooperation vereinbart. Weshalb?

Jürgen Meier-Beer: Viva engagiert sich für solche deutsche Musikproduktionen, die in den nationalen Charts Chancen haben und zugleich dem internationalen Geschmack entsprechen. Dies sind genau die Kriterien, um die es bei der deutschen Vorentscheidung zum Eurovision Song Contest gehen muss.

Dürfen wir wieder mit einer Armada von Unbekannten rechnen?

Nein, im Gegenteil. Die Anforderungen sind verschärft worden, denn die Künstler müssen ein Video von ihren Songs gemacht haben. So werden einerseits Anfänger und Schlagersänger aussortiert, andererseits die großen deutschen Popnamen umso überzeugender angesprochen.

Warum wollen Sie keine Anfänger und Schlagersänger?

Weil es einerseits auf die Chartchancen in Deutschland ankommt – und andererseits auf eine gute Platzierung in Istanbul. Schlagerstars wie Andrea Berg haben sich ja auch nie bemüht – und das ist konsequent, denn sie wissen, dass sie international nicht gut abschneiden würden. Ermutigend ist, dass nun für Deutschland andere Künstler singen wollen als die tümelnden von Dieter Thomas Heck.

Und allen gemein ist, dass sie nur Geld verdienen wollen.

Natürlich beteiligten sich die großen und guten deutschen Namen auch deshalb gern an unserer Aktion, weil die Viva-Promotion und das ARD-Ticket zum internationalen Auftritt eine kommerziell geile Kombi ist. Aber rein kommerzielles Kalkül bringt nie musikalischen Erfolg.

Selbst Westbam ist mit Dieter Thomas Heck einer Meinung, wenn er findet, dass der Grand Prix Eurovision gerade seiner Tradition wegen schön war.

Herrn Heck sollte man dafür, dass er einen internationalen Musikwettbewerb mit traditionellem deutschen Liedgut bestücken will, als Vaterlandsverräter bezeichnen. Seine Leitkultur würde ebenso in die Niederlage führen, wie es Russland passiert wäre, hätte es voriges Jahr stalinistische Balalaikas statt t.A.T.u. entsandt. Westbams Kritik ist intelligenter als die von Heck. Daher freue ich mich, dass Westbam teilnimmt.

Schämen Sie sich nicht, dass Ralph Siegel ausgebootet ist?

Herr Siegel weiß, dass ich ihn verehre. Aber ich will nicht verschweigen, dass er der Erste war, der mir zum neuen Konzept gratuliert hat. Im Übrigen hoffe ich, dass er Maltas Vorentscheidung gewinnt. Dann könnte er beim internationalen Finale endlich auch Punkte aus Deutschland bekommen. Auf diese Weise hat er sogar bessere internationale Erfolgschancen als sonst. Ich gönne sie ihm von ganzem Herzen.

Woran liegt es, dass dieser Event gerade in gebildeten Kreisen oft Irritationen auslöst?

Im Gegenteil, hier gibt es häufig intelligente Auseinandersetzungen. Kein Wunder, denn er ist der einzige internationale Wettbewerb, bei dem sich die Vertreter der einzelnen Länder nicht gegenseitig niederringen können, sondern sich um Freundschaft, also Zustimmung, bemühen müssen. Ein verführerischer Wettbewerb um die Liebe anderer Völker sozusagen. Daher kann man in dieser Sendung so schöne Betrachtungen zum Stand internationaler Beziehungen anstellen, und zwar jenseits der politischen Machtspielchen.

Beispielsweise?

Wie im politisch komplizierten Dreieck zwischen Griechenland, Türkei und Zypern die Völker zueinander stehen, das kommt am ehrlichsten in der Punktevergabe per TED zum Ausdruck – die Völker scheinen sich näher als deren politische Eliten.

Apropos Liebe: Hätte die taz voriges Jahr auch Senait mit einem Text unseres Wiglaf Droste ins Rennen schicken können?

Natürlich. Sollten die Gerüchte stimmen, dass Herr Droste dies sogar vorhatte, dann könnte man seine Tiraden gegen den Eurovision Song Contest als Engagement eines enttäuschten Liebhabers deuten. Hätte er damals für Senait einen Text geschrieben, der die Herzen der Menschen erwärmt und Senait zum Sieg geführt hätte, ich wäre dankbar vor ihm auf die Knie gegangen.