Big Bang – und bum

Der VfK Schifferstadt gewinnt das erste Finale um die deutsche Ringer-Meisterschaft gegen Aalen mit 16,5:6

SCHIFFERSTADT taz ■ Den „Big Bang“ für das deutsche Ringen hatte er vorausgesagt, der Herr von der Ostalb. Aber Karl Maier ist ein Kämpfer, und so konnte der Vorsitzende des Ringer-Bundesligisten KSV Aalen den finanziellen Ruin seines Traditionsclubs gerade noch einmal abwenden: 500.000 Euro verlangte das Finanzamt vom achtfachen deutschen Meister, weil dieser es versäumt hatte, den vollen Steuersatz von 41 Prozent für seine ausländischen Ringer beim Fiskus abzuliefern. Nach einem Beschluss des Petitionsausschusses in Stuttgart aber müssen die Ostalbbären nun bis Februar nur noch zwei Fünftel der geforderten Summe abführen. Der 62-jährige Verwaltungsangestellte Karl Maier ist nun frohen Mutes, dass auch in der nächsten Saison eine schlagkräftige Staffel für den KSV in der Bundesliga ringt. Dies allerdings voraussichtlich „nur“ als amtierender Vizemeister, denn den ersten Finalkampf beim VfK Schifferstadt verloren die Schwaben mit 6:16,5 deutlich. „Des kannsch’d nimmer schaffe nägschde Woche“, sah Maier nach dem Aufeinandertreffen in der Schifferstädter Wilfried-Dietrich-Halle schwarz für den Rückkampf nächsten Sonntag.

Die zu Ende gehende Saison hatte, abgesehen vom spektakulären Comeback des nach drei Schlaganfällen im Viertelfinale für den VfK wieder eingreifenden Alexander Leipold – sportlich keine Überraschungen zu bieten. Wieder waren die Ringer-Hochburgen aus dem Süden im Halbfinale unter sich. Die Kämpfe seien langweilig, sagen Kritiker, zu denen auch der Bundestrainer im Freistil und Sportdirektor des Deutschen Ringer Bundes (DRB), Wolfgang Nietschke, gehört. Auch im ersten Finale in Schifferstadt wurden, außer einem Schultersieg des Schifferstädters Richard Wolny gegen Anton Nuding, viele Kämpfe mit 1:0-Wertungen beendet.

Nietschke sieht den Hauptgrund für die Ausgeglichenheit in der Ansammlung ausländischer Weltklasse-Ringer in der Bundesliga. Diese blockierten zudem die Plätze für den deutschen Nachwuchs. Deshalb hofft Nietschke auf die Reformbereitschaft bei den Bundesligisten. Der Mann aus Leipzig plädiert hinsichtlich der neuen Saison, neben der schon durchgesetzten Reduzierung der Gewichtsklassen von zehn auf sieben, für eine Selbstbeschränkung der Vereine bei der Verpflichtung ausländischer Spitzenringer und für eine stärkere Jugendförderung.

Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion ist es zu einer Kräfteverschiebung im internationalen Ringen gekommen. Viele Athleten aus den ehemaligen Sowjetrepubliken ringen nun nicht nur in ausländischen Ligen, sie nehmen auch andere Staatsbürgerschaften an. Ringer aus EU-Vollmitgliedsstaaten sind in der Bundesliga unbeschränkt einsetzbar. So nahm der für Aalen startende und in Georgien geborene Emzarios Bedinidis – er brachte am Freitag Alexander Leipold die erste Niederlage nach dessen Rückkehr bei – für die Erlangung der griechischen Staatsbürgerschaft eine zweijährige Sperre in Kauf. „Eine gefährliche Entwicklung“, findet Nietschke, der aber im gleichen Atemzug zugeben muss, dass auch der DRB im Olympiajahr einige dieser Akteure in seinen Reihen weiß.

Die Diskussion um die Begrenzung der Ausländeranzahl dauert freilich schon lange ergebnislos an. Zwar beginnt jeder auf diese Thema angesprochene Funktionär seine Ausführungen mit den Worten: „Ich habe ja nichts gegen Ausländer …“ – aber angesichts von einigen jungen deutschen Kaderathleten des DRB, die beispielsweise beim KSV Aalen meist zuschauenderweise auf der Bank sitzen, gerät Helmuth Pauli, der Präsident des DRB, in Rage: „Es muss was passieren“, so der Mann aus Tuttlingen, der nun „alle zur Vernunft“ bringen will. Wie, das ließ Pauli offen. Noch zu Jahresbeginn sprach er konziliant davon, dass sich das Verhältnis der Vereine zum DRB entscheidend verbessern müsse. Wie dies aber angesichts der Temperamente auf beiden Seiten funktionieren soll, ist eine spannende Frage.

Karl Maier, der Vorsitzende des KSV Aalen, ist jedenfalls keiner, der sich gerne reinreden lässt. Und er pflegt bisweilen seine eigene Sicht der Dinge, auch beim Kampf in Schifferstadt war das der Fall. „Der Probst stand rum wie ein Dompfaff“, sah Maier die Seinen durch Eberhardt Probst, den Ringrichter, klar benachteiligt. „Vorsatz“, will der streitbare Maier darin gar gesehen haben. Der Mann war nicht zu beruhigen, während Helmuth Pauli unvermindert über Aalens Nichtnominierung des deutschen Nachwuchses räsonierte. Ein Treffen der beiden Funktionäre, die schon oft über Kreuz lagen, verspricht lustig zu werden. Man hört Karl Maier schon giften: „Big Bang – und bum.“

TOBIAS SCHÄCHTER