Deutsche Knöllchen bald europaweit gültig

Innen- und Justizminister beraten in Brüssel heute über illegale Einwanderer, Grenzpolizei und EU-Strafzettel

BRÜSSEL taz ■ Wenn die Innenminister der EU heute wieder einmal das Dauerthema Migration und Asyl beraten, sitzt Edmund Stoiber symbolisch mit am Tisch. Denn die verfahrene Situation beim geplanten deutschen Einwanderungsgesetz blockiert auch die Gespräche in Brüssel. Da Otto Schily noch nicht weiß, wie der kleinste gemeinsame Nenner mit den konservativ regierten Bundesländern aussehen wird, kann er seinen EU-Kollegen keine Zusagen machen.

Auf deutsches Drängen hin haben bei der Flüchtlingspolitik auch nach der Vertragsreform von Nizza die Mitgliedsstaaten das letzte Wort. Alle Beschlüsse müssen weiterhin einstimmig gefasst werden. Und so schreibt die griechische Ratspräsidentschaft in ihrer Vorschau auf das heutige Treffen, dass „wegen Vorbehalten einer Delegation“ beim Innenministerrat im November der Personenkreis nicht habe abschließend definiert werden können, der Schutz gegen nichtstaatliche Verfolgung genießen soll.

Die vierzehn anderen EU-Mitglieder möchten dringend zu einem einheitlichen Flüchtlingsbegriff kommen und auch einheitliche Mindeststandards einführen, um das „Asylshopping“ einzudämmen. Nur wenn der Zugang zu Arbeit und staatlichen Hilfen sowie der Familiennachzug einheitlich geregelt wird, kann verhindert werden, dass Länder mit freundlicheren Lebensbedingungen von einem Ansturm erdrückt werden.

Heute Nachmittag werden sich die Innenminister mit dem Bereich illegale Einwanderung beschäftigen. Frankreich verlangt, dass die Pässe von Touristen aus Drittländlern, die sich nur zeitlich befristet in der EU aufhalten dürfen, auf jeden Fall bei der Einreise gestempelt werden. Nur so könnten Polizisten kontrollieren, ob jemand legal eingereist ist und noch bleiben darf. Diese Forderung bereitet manchen Mitgliedsstaaten praktische Probleme. An der deutschen Grenze zu Polen zum Beispiel würde der Verkehr zusammenbrechen, wenn jeder einreisende polnische Tourist einen Stempel in seinen Pass bekäme.

Auch das Thema Grenzpolizei steht heute ein weiteres Mal auf der Tagesordnung. Die Kommission gibt einen Zwischenbericht, wie die Küstengrenzen besser gesichert und wie die Lasten bei der Kontrolle der Schengen-Außengrenzen besser verteilt werden können. Bislang haben vor allem Spanien und Italien betont, dass sie bis zu 250 Millionen Euro pro Jahr ausgeben, um unerwünschte Einwanderer von den Küstengrenzen fern zu halten. Nun meldet auch Deutschland Forderungen an und rechnet vor, dass 521 Millionen Euro jährlich zum Schutz der Ostgrenze zu Polen und Tschechien aufgewendet werden.

Der Streit darüber, wer am Ende zahlt, wird sich noch eine Weile hinziehen. Beinah einig sind sich aber die Justizminister, die morgen ebenfalls über Geld reden werden. Allerdings geht es dabei nicht um die Lastenverteilung im Gemeinschaftshaushalt, sondern um die Portemonnaies reisefreudiger EU-Bürger. Der so genannte „Knöllchen-Rahmenbeschluss“ ist fast abstimmungsreif. Wenn er in Kraft tritt, werden Bußgeldbescheide überall in der Union anerkannt und vollstreckt. Wer sich mit deutschem Kennzeichen am Eiffelturm ins Halteverbot stellt und hinterher grinsend das Knöllchen wegschmeißt, könnte bald Post zu Hause vorfinden: Die deutschen Behörden treiben den Obolus demnächst für ihre französischen Kollegen ein.

DANIELA WEINGÄRTNER