Linke Socke

Wenn Gerichte sich langweilen, führen sie schon mal Prozesse gegen Leute, die mit schmutzigen Socken saubere Zellen verunreinigt haben sollen

von ANDREAS WITTKOPP

Der Verschmutzungsgrad einer Socke und das Zerstörungspotenzial eines Reißverschlusses beschäftigten gestern das Amtsgerich Harburg. Dort kam es zum ersten Prozess gegen einen Bambulisten nach der Räumung des Bauwagenplatzes. Dem Angeklagten wird zur Last gelegt, während seiner Gewahrsamnahme im Polizeikommissariat Harburg mit diesen ungewöhnlichen Tatwerkzeugen eine Zelle beschädigt zu haben.

Nach der Entlassung des Angeklagten hätten die Zellenwände Schmierspuren aufgewiesen, auch seien Kratzer im Lack entdeckt wurden. Daran meint sich zumindest ein Polizeibeamter zu erinnern, der damals die erkennungsdienstlichen Maßnahmen geleitet hatte. Da der mutmaßliche Täter sämtliche Gegenstände, die eine solche Zerstörung hätten verursachen können, abgeben musste, blieben nur die Socken und der Reißverschluss eines Kleidungsstückes als mögliche Werkzeuge der Gewalt, so der Zeuge weiter.

Nur hatte dieser den mutmaßlichen Sachbeschädiger gar nicht in die Zelle geführt und konnte sich auch nicht an die Kleidung des Angeklagten am fraglichen Tag erinnern. Zu dumm auch, dass die angebliche Beschädigung der Zelle nicht dokumentiert wurde und die erkennungsdienstlichen Fotos, die Aufschluss über Jacke und Hose des Delinquenten geben könnten, bereits vernichtet sind.

Allerdings will der Harburger Polizist „deutliche Spuren von Schmiere“ an der wollenen Fußbedeckung des Bambulisten entdeckt haben. Leider gehören aber auch die Socken nicht zu den Beweismitteln der Anklage. Auch ob die angeblichen Verschmutzungen in der Zelle überhaupt vom Angeklagten stammen, konnte nicht geklärt werden. Die Bemerkung des Richters, dass Zellenwände in der Regel nicht „von jungfräulicher Natur“ sind, konterte der Zeuge resolut: „In Harburg sind die Zellen sauber!“

Der des unreinlichen Auftreten Bezichtigte versicherte feierlich, seine Wäsche täglich zu wechseln. Zudem habe er keine Kleidung mit Reißverschlüssen getragen. Mit einer Einstellung des Verfahrens gegen eine Auflage wollte die Verteidigung sich daher nicht zufrieden geben. Sie beantragte eine kriminaltechnische Untersuchung der Hose des Beschuldigten und eine Inaugenscheinnahme der Zelle.

Da der Richter trotz der dünnen Beweislage sich zu einem Freispruch nicht durchringen konnte, wird die Verhandlung am 10. März fortgeführt. Ob dann erhellende Erkenntnisse aus Wäschekorb und Kleiderschrank des Beschuldigten erlangt werden, gilt nicht als sicher.