Kulturhauptstadt im Kasten (11)
: Die Debatte zur Bremer Bewerbung. Heute: Uwe Martin, BBK

Zurückgefahrene Potentiale neu beleben

Bremen möchte „Kulturhauptstadt Europas“ werden. Aber wie? In unserer Serie beziehen Kulturschaffende und Entscheidungsträger Position. Heute: Uwe Martin, Geschäftsführer des Bundesverbandes Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK) Bremen

Die Chance, die für Bremen und die Kultur der Stadt im Bewerbungsverfahren um den Titel „Kulturhauptstadt“ liegt, ist enorm. Die Kompetenz, dieses Verfahren positiv abzuschließen, ist in den Einrichtungen allemal vorhanden. Referenzprojekte und Konzepte zu entwickeln, ist unser täglich Brot und die nötige Professionalität bei der Realisierung und Vermarktung haben alle Einrichtungen ausreichend bewiesen.

Die Kulturszene bringt Kompetenzen in den Bewerbungsprozess ein, die in dieser Stadt an keiner anderen Stelle abrufbar sind und die nach den EU-Richtlinien für das Bewerbungsverfahren gefordert werden. Ohne einen Umdenkprozess, der Kultur und Investition in Kultur als wichtiges Moment im Rahmen der Sanierungspolitik und für die Überlebensfähigkeit des Stadtstaates versteht, wird sich eine Bewerbung kaum glaubwürdig vermittel lassen.

Die Kulturszene sollte ihrerseits Forderungen stellen, um den Prozess zur Bewerbung auf eine akzeptable Grundlage zu stellen. Investitionen in Kultur müssen erfolgen, und es muss eine langfristige Kulturfinanzplanung mit Planungssicherheit für die Einrichtungen dem Bewerbungsverfahren beigestellt werden. Hierbei sollte ein Finanzplan bis 2010 die Kosten verbindlich auflisten, die der Kulturszene nicht nur den Status quo sichern, sondern auch Gestaltungsspielraum öffnen, um die seit Jahren zurückgefahrenen Potentiale neu zu beleben und Entwicklungen zu ermöglichen.

Die Kultur muss an der Spitze der Bewerbung stehen. Der zu kürende Intendant, der das Bewerbungsverfahren entwickeln wird, muss in seinen Entscheidungen beraten und begleitet werden. Hierzu sollte eine Plattform „Kultur der Stadt“ eingerichtet werden.

Zu den Forderungen für die Bildende Kunst: Im Rahmen der „Kunst am Bau“-Regelung werden von anderen Bundesländern bis zu zwei Prozent der investiven öffentlichen Baugelder für Kunst am Bau/Kunst im öffentlichen Raum bereitgestellt. Bremen hat sich seit Jahren aus dieser Empfehlung ausgeklinkt und damit den KünstlerInnen die wichtigste Einkommensmöglichkeit genommen.

Diese Benachteiligung hat wesentlich dazu beigetragen, dass viele junge KünstlerInnen die Stadt verlassen. Für eine Kulturhauptstadt müssen Bedingungen geschaffen werden, die es den KünstlerInnen ermöglichen, in dieser Stadt zu arbeiten. Diese Forderung ist eine Maßnahme der Minimalausstattung und eine Anpassung an den bundesweiten Standard! Erst wenn das erreicht ist und die kulturellen Aktivitäten zur Bewerbung Bremens nicht durch Selbstausbeutung realisiert werden sollen, sollte die Diskussion über Referenzprojekte beginnen.

Die notorisch unterfinanzierte Kultur muss an dem Bewerbungsverfahren deutlich machen, dass die Erhaltung des hohen Niveaus ohne Aufstockung der Fördergelder nicht machbar ist. Die Politik kann nicht Erwartungen formulieren, ohne bereit zu sein, auch in die Vision Kulturhauptstadt zu investieren.

Ein weiteres Beispiel: Die vielfachen Forderungen des BBK, für die Sicherstellung und Weiterentwicklung der Städtischen Galerie als einem zentralen Instrument der Förderung der Bildenden KünstlerInnen der Stadt zu sorgen, haben in den letzten zwei Jahren nichts an der Situation geändert. Die katastrophale Personalsituation in der Städtischen Galerie ist nicht hinnehmbar. Deren Sicherung und Weiterentwicklung muss daher eine entscheidende Forderung des Bereichs Bildende Kunst sein. Und dies gilt nicht nur im Zusammenhang mit der Bewerbung zur Kulturhauptstadt! Uwe Martin