Von der Schulbank zu den Schafen

Mit 25 Menschen in einer Zwei-Zimmer-Hütte in der Türkei – Flüchtlingsinitiative zeigt das Video eines abgeschobenen Ex-Bremers. Wegen Personalmangels im Ausländeramt warten 79 libanesische Kurden immer noch auf ihre Aufenthaltserlaubnis

taz ■ „Wir sind fast alle am Verhungern und leben auf engstem Raum zusammen“, sagt Schewki Mansur. Die Kamera schwenkt durch eine Hütte. Mansur ist einer der 67 so genannten kurdischen Libanesen, die die Bremer Ausländerbehörde seit letztem Jahr in die Türkei abgeschoben hat. Neun reisten freiwillig aus, elf sind untergetaucht und stehen auf der Fahndungsliste der Ausländerpolizei. Hunderte müssen spätestens, wenn die von ihnen angestrengten Eilverfahren zu ihren Ungunsten abgeschlossen sind, mit ihrer Ausweisung rechnen.

Das Video, das Mansur vor vier Wochen an seinen Schwager nach Bremen schickte und das die Bremer Flüchtlingsinitiative gestern in Ausschnitten zeigte, zeichnet indes ein dramatisches Bild von den Verhältnissen, in denen die Ex-BremerInnen in der Türkei leben. Glaubt man dem Film, ist die siebenköpfige Familie zusammen mit anderen Angehörigen bei Schewki Mansurs Eltern untergekommen. Insgesamt 25 Personen teilen sich zwei kleine Räume, Wohnung und Stall grenzen aneinander. Schewki hält die Kamera auf seine Kinder: „Schechmuss ist elf Jahre in Deutschland zur Schule gegangen, jetzt muss er Schafe hüten“, sagt die Stimme des Übersetzers. Und: „Es ist eine Unverschämtheit von Deutschland, dass es seine Kinder abgeschoben hat.“

1990 war Mansur mit seiner Familie nach Deutschland gekommen. Wie viele Kurden hatten sie nach ihrer Flucht aus dem Bürgerkriegsland Libanon ein paar Jahre in der Türkei gelebt. Dorthin wurden sie nach zwölf Jahren in Deutschland wieder abgeschoben – auch wenn die Kinder zwar Deutsch und Arabisch, aber kein Türkisch sprechen. Als er vor einem Jahr mit seiner Frau Feyziye Mansur und ihren fünf Kindern in das Dorf Uckavak in der Nähe der irakischen Grenze zurück musste, nahm Mansur die Kamera mit.

„Die Argumentation der Behörden war immer, dass die Leute abgeschoben werden können, weil dort noch Verwandte leben, die sie unterstützen können“, sagt Danja Schönhöfer von der Flüchtlingsintiative: „Aber wenn das so aussieht wie in dem Film, muss man doch fragen, welche Qualität diese Unterstützung hat.“ Es könne nicht angehen, dass immer mehr Angehörige mit diesen Argumenten abgeschoben werden.

Die Bremer Ausländerbeauftragte Dagmar Lill wollte gestern noch keinen Kommentar zu dem Film abgeben, sondern erst selbst recherchieren. Aber, sagt Lill: „Grundsätzlich sehe ich das Problem, dass Menschen, die so lange hier gelebt haben, nicht so ohne Weiteres abgeschoben werden können.“

Nur 80 der zunächst über 500 in Bremen lebenden libanesischen Kurden haben nach einem Erlass von Innensenator Kuno Böse (CDU) eine reelle Chance auf ein Bleiberecht. Böse hatte Mitte 2002 ein Urteil des Bremer Oberverwaltungsgerichts zum Anlass genommen, für einige der Flüchtlinge den Weg in die so genannte Altfallregelung zu öffnen – wenn sie als Minderjährige eingereist und inzwischen volljährig sind. Voraussetzung für eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis ist auch in diesem Fall, dass die AntragstellerInnen ihr Leben selber finanzieren können. An diesem Kriterium scheitert nach Auskunft des Innenressorts auch ein Großteil der übrigen Flüchtlinge, die theoretisch von der Altfallregelung profitieren könnten: 157 von 369 Anträgen wurden bereits abgelehnt, sechs sind noch offen, Klagen wenig aussichtsreich.

Die Situation der 80 jungen libanesischen Kurden, die seit Böses Erlass einen Aufenthaltsantrag gestellt haben, ist zum allergrößten Teil auch nach acht Monaten noch ungeklärt. Denn wegen Personalmangels hat die Ausländerbehörde bisher lediglich einen einzigen Antrag beschieden – negativ. eib/sim