Expedition zu den unbekannten Nachbarn

Die Arbeitnehmerkammer will die soziale Spaltung der Stadt aufbrechen und die Stadtteile zueinander bringen

Bremen, ein Südseeidyll. Inseln, von sattgrüner Vegetation überwuchert, sanft umspült von der Brandung eines zartblauen Meeres. Aber, ach, dieses Atoll ist nur Illusion, so wie sie auf ein Stück Papier der Arbeitnehmerkammer gemalt ist – und hat einen für Bremen wohl sehr ernsthaften Hintergrund. Bremen sei nämlich, urteilt die Kammer, gespalten in Stadtteile, die wie Inseln ohne viel Kontakt zueinander nebeneinander existieren.

Als Ursache dafür macht die Arbeitnehmerkammer, gestützt auf den jüngsten Armutsbericht, die soziale Spaltung aus, die die Stadtteile in ökonomisch besser gestellte und abgehängte zerteilt, wodurch sich soziale und kulturelle Distanzen zwischen den Stadtquartieren vertieften. Die Kammer sieht Grenzen wachsen zwischen den Stadtteilen, die von den Bewohnern nicht mehr überschritten werden. Man bleibt unter sich, Gröpelingen bezieht sich auf Gröpelingen, Osterholz auf Osterholz, kein Blick ist da für das Gesamte, für die Stadt. Das alles zusammen erschwere die Entwicklung gemeinsamer Strategien gegen Armut, gegen Perspektivlosigkeit, für die Überwindung des sozialen Risses.

Der Soziologe Lutz Liffers hat deshalb für die Kammer die „Expedition Stadt“ entwickelt. Forschungsreisen im eigentlichen Sinne sollen das werden, durch ein Inselreich, dessen Bewohner ohne Kontakt zur Außenwelt vor sich hinleben. Sie sollen zusammengebracht werden, sich gegenseitig „die unentdeckten Perlen ihrer Quartiere“ zeigen, über Probleme ins Gespräch kommen und Strategien austauschen.

Bis März brechen Schwachhauser für einen Tag nach Gröpelingen, Huchtinger nach Schwachhausen und Osterholzer nach Huchting auf; die Gröpelinger hatten bereits vergangenen Montag die Gelegenheit zur Expedition nach Osterholz.

Als Forschungsreisende hat Liffers die „Akteure aus den vier Stadtteilen“ im Blick, Ortsamtsleiter, Quartiersmanager, Protagonisten der jeweiligen Stadtteilprojekte, Pastoren und Lehrerinnen. Was etwas unspezifisch und nur nach denen klingt, die ohnehin engagiert für ihre Viertel kämpfen, erklärt Liffers zum Prinzip. Er unterliege nicht der Illusion, mit den Treffen die Grenzen, die sich aufgetan haben, einzureißen, indem man ein Austauschprogramm für die Bewohner der vier Viertel organisiere.

Er will Diskussionen anregen zwischen den Stadtteilen; vernetzen, um ein über die Stadtteile hinausreichendes Bewusstsein zu schaffen. Nach jeder Expedition werden die Forschungsergebnisse im „Basislager“ diskutiert. Auftakt macht kommenden Donnerstag die Fuldaer Soziologin Monika Alisch. Die Arbeitnehmerkammer verspricht „provokante Thesen zu den Grenzen sozialer Stadtentwicklung“.

Im März 2009 sollen aus den vier Expeditionen Thesen für den Kampf gegen die soziale Spaltung der Stadt abgeleitet werden, mit denen sich die Kammer auch in der Politik einmischen will. FEZ