Unauffällige Minderheit

Vor dem Amtsgericht muss sich ein gebürtiger Pole wegen Volksverhetzung eines Polizisten verantworten. Als Sohn türkischer Einwanderer ist der immer noch einer von wenigen bei der Polizei

VON JAN ZIER

Herr W. hat klare Vorstellungen von der deutschen Polizei. In ihr dürften nur Deutsche arbeiten, findet der 37-Jährige. Und als solcher gilt ihm nur, wer auch einen Deutschen zum Vater hat, ganz egal, was das hiesige Staatsbürgerschaftsrecht dazu sagt. Deshalb muss sich der gebürtige Pole jetzt wegen Volksverhetzung vor dem Amtsgericht verantworten. Wieso einer wie A. bei der Polizei arbeite, fragte W. gestern: „Der ist doch gar nicht deutsch!“ Dabei ist der 27-Jährige A. hier geboren und aufgewachsen, hat einen deutschen Pass. Seine Eltern kamen in den 70er Jahren aus der Türkei – als „Gastarbeiter“.

Als Polizeibeamter ist A. immer noch einer von ganz wenigen. Seit dem Jahr 2000 hat die Polizei in Bremen 53 AnwärterInnen mit Migrationshintergrund eingestellt, 46 davon sind bis heute geblieben. Zumeist sind es Frauen, nur sieben Männer sind darunter. Alles in allem ergibt das einen Anteil von rund einem Prozent, schätzt Elke von Oehsen, zwei, wenn man jene PolizistInnen hinzurechnet, die noch in Ausbildung sind. Von Oehsen leitet das Pilotprojekt „MigrantInnen bei der Polizei“ beim Bildungszentrum der Wirtschaft im Unterwesergebiet.

Im Januar läuft das mehrjährige Programm aus, und ob es danach weitergeht, ist noch unklar. Es fehlt dabei weniger an der Finanzierung, als an der Nachfrage, sagt von Oehsen. Im laufenden Jahrgang absolvieren 16 MigrantInnen den neunmonatigen Vorbereitungskurs – und sehr viel mehr hätten sich auch nicht beworben. Die meisten ProjektteilnehmerInnen kommen aus der Türkei oder Osteuropa, sagt von Oehsen, Afrikanischstämmige seien bislang nicht darunter gewesen. Nicht alle werden genommen, die Aufnahmeprüfung ist schwer – A. etwa musste sich vor drei Jahren unter rund 2.500 BewerberInnen für einen von 40 Plätzen bei der Polizei Bremen durchsetzen.

Wer es geschafft, sagen Studien, der fühle sich wohl bei der Polizei, so von Oehsen, von offenen Ressentiments sei keine Rede. Aber entsprechende Witze gebe es schon mal. Auch A. hat keine Probleme mit seinen KollegInnen, sagt er, und Vorfälle wie jener mit Herrn W. vor zwei Jahren seien selten. „So etwas spricht kaum einer richtig aus“, sagt A. – nicht einmal Rechte. Zu groß sei die Gefahr einer Verurteilung. Volksverhetzung kann mit einer Haftstrafe bis zu fünf Jahren bestraft werden. Im Fall des W. steht ein Urteil noch aus.

Verglichen mit anderen Ländern ist Bremen hintendran, was die Zahl der PolizistInnen mit Migrationshintergrund angeht. In Nordrhein-Westfalen und Berlin sei man schon etwas weiter, sagt von Oehsen, in Niedersachsen hingegen stammen auch nur gut zwei Prozent der PolizistInnen aus Einwandererfamilien. Dabei machen sie gut 20 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Man bemühe sich, sagt eine Polizeisprecherin, habe „gute Erfahrungen“ mit migrantischen Ordnungshütern gemacht. Vor allem wegen ihrer Sprachkenntnisse werden sie geschätzt, sagt auch A. Er ist nach eigenen Angaben einer von etwa mehr als einem Dutzend PolizistInnen in Bremen, deren Eltern aus der Türkei stammen. „Bei den meisten MigrantInnen ist noch nicht angekommen, dass sie bei der Polizei erwünscht sind“, sagt von Oehsen, auch wenn Polizeiführung, Politik und Stellenausschreibungen das stets betonten. Im Dienst seien sie Studien zufolge meist eher „unauffällig“, so von Oehsen.