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: Nicht früh genug ernst genommen

Es ist der Höhepunkt einer Kette peinlicher Nachrichten für das Weiße Haus. Zunächst wurde in der letzten Woche bekannt, dass die US-Teams zur Suche atomarer, chemischer und biologischer Waffen nach erfolgloser Mission aus dem Irak abgezogen werden. Dann legte die renommierte Carnegie-Stiftung dar, wie dünn die der US-Regierung vorliegenden Hinweise auf irakische ABC-Waffen-Programme nach 1991 waren. Und am Wochenende ließ dann auch noch Bushs ehemaliger Finanzminister Paul O’Neill wissen, schon in den ersten Tagen nach Amtsantritt des neuen Präsidenten im Januar 2001, also lange vor den Anschlägen von New York und Washington, sei über konkrete Planungen für die Invasion in Irak gesprochen worden.

KOMMENTAR VON ERIC CHAUVISTRÉ

Für die Debatte in den USA sind die Behauptungen O’Neills vor allem deshalb brisant, weil sie widerlegen, dass der Irakkrieg irgendetwas mit dem Kampf gegen der Terror nach dem 11. September zu tun hat. Aber sie sind nicht nur peinlich für die Bush-Regierung. Auch in Europa sollte die Wortmeldung des Exministers zumindest für Nachdenklichkeit sorgen.

Denn sie ist vor allem eine politisch hochkarätige Bestätigung von längst Bekanntem. Bereits vor dem Amtsantritt Bushs hatten sich wichtige künftige Außenpolitiker wie Verteidungsminister Rumsfeld und sein Stellvertreter Wolfowitz öffentlich für ein militärisches Vorgehen der USA im Irak ausgesprochen. Bush selbst redete bereits im Januar 2002 in seiner Rede zur „Achse des Bösen“ Klartext. Doch Gerhard Schröder brauchte bis August 2002, um eindeutig Stellung gegen die Kriegspläne zu beziehen – sein Außenminister wie viele außenpolitische Leitartikler in Deutschland sogar noch viel länger. Zu spät verabschiedeten sie sich von der Idee eines neuen Multilateralismus der USA nach dem 11. September.

Dabei hatten Spannungen – etwa bei der Klimapolitik, der Raketenabwehr und der Etablierung des Internationalen Strafgerichtshofs – längst auf gravierende Differenzen hingedeutet. Die Planung eines so genannten Präventivkriegs gegen Irak war nur die denkbar drastischste Ausformung einer Politik, die ganz auf die Militärmacht der USA setzte und sich weder um Rechtsnormen noch um die Haltung von Verbündeten schert. Die Nachrichten der letzten Woche sollten dazu führen, Indizien für möglicherweise desaströse außenpolitische Entscheidungen der USA künftig ernster zu nehmen.